Vor der Uno-Vollversammlung antwortet der US-Präsident auf die Initiative aus Teheran – und muss harte Worte aus Brasilien einstecken

New York. Bisher war die alljährliche Uno-Generalversammlung immer ein Heimspiel für Barack Obama. Wenn der US-Präsident in New York vor das Plenum der internationalen Staatengemeinschaft trat, dann sprach da der unbestrittene Führer der einzigen Supermacht, und er skizzierte in seinem Statement den Tenor der nachfolgenden Debatte.

Dieses Jahr lief es anders. Gleich die erste Rednerin, die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff, attackierte Obama massiv wegen der Spionageaktivitäten des US-Geheimdienstes NSA gegen ihr Land. Sie verlangte eine Entschuldigung und die Versicherung, dass derartige Operationen gegen Diplomaten, Unternehmen und Politiker souveräner Staaten eingestellt würden.

Obama trat unmittelbar nach Rousseff an das Pult und bemühte sich zunächst um eine vorsichtige Beschwichtigung der Dame. Er lobte die Vereinten Nationen, die es möglich machten, Streitfragen friedlich zu lösen, und versicherte, auch die Arbeit von Nachrichtendiensten habe dazu beigetragen, dass die Welt heute stabiler sei als vor fünf Jahren – was angesichts der Terroranschläge der letzten Tage in Kenia, Pakistan und im Irak nur bedingt überzeugend klang. Es müsse gelingen, die berechtigten Wünsche der Bürger nach Privatsphäre und die Erfordernisse der Sicherheit in Einklang zu bringen, sagte Obama. Nach einer Entschuldigung, wie sie Rousseff fordert, klang das nicht. Rousseff dürfte kaum zufrieden gewesen sein mit diesen Ausführungen.

Doch der Zorn von Dilma Rousseff, die vorige Woche einen für Oktober geplanten Staatsbesuch in Washington abgesagt hatte, gehört noch zu den geringeren Problemen des US-Präsidenten. Der einstige globale Hoffnungsträger hatte sich zuletzt durch einen verwirrenden Zickzack-Kurs in der Syrien-Politik in die Defensive manövriert. In New York sollte einer die globale Bühne betreten, auf dem auch große Hoffnungen liegen: Hassan Rohani, der vergangenen Monat ins Amt eingeführte iranische Staatspräsident, kam, um „das wahre Gesicht der Iraner als einer friedliebenden Nation vorzustellen“, wie er per Twitter vorab verkündet hatte. Dabei war bis zum Nachmittag gar nicht klar, ob Rohani überhaupt zur Vollversammlung sprechen würde. Außenminister Mohammed Sarif übernehme dies, meldete die halbamtliche Nachrichtenagentur Fars. US-Diplomaten hatten zu diesem Zeitpunkt bereits angedeutet, dass es ein förmliches Treffen zwischen dem iranischen Präsidenten und Obama am Rande der Generaldebatte geben könne – eine Spekulation, die US-Regierungskreise Stunden später jedoch dementierten.

Dagegen war Amtsvorgänger Mahmud Ahmadinedschad in New York regelmäßig als der Schurke vom Dienst aufgetreten. Er nutzte seine in ruhigem Ton vorgetragenen Reden gern, um die israelische Politik zu geißeln und den USA zu unterstellen, die Terroranschläge vom 11. September 2001 selbst inszeniert zu haben. Delegierte aus den USA, diversen EU-Staaten und Israel standen daraufhin ebenso erwartbar auf und verließen die alljährliche Show von Ahmadinedschad. Rohani hingegen, der in Interviews und Gastbeiträgen in US-Medien einen Kompromiss im Atomstreit mit dem Westen in Aussicht gestellt hatte, wurde sogar vom konservativen „Wall Street Journal“ als „Eisbrecher“ am East River begrüßt.

Obama hatte drei bilaterale Begegnungen am Rande der Generalversammlung vereinbart, mit den Präsidenten des Libanon und Nigerias, Michel Sulaiman und Goodluck Jonathan, und mit Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas. Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu will er am Montag in Washington treffen. Am gleichen Tag wird Netanjahu seine Rede in der Generalversammlung halten. Voriges Jahr hatte der Premier Schlagzeilen gemacht, als er von New York aus der Weltöffentlichkeit die Strichzeichnung einer Atombombe präsentierte und zu erklären versuchte, bei welchem Prozentsatz der Teheraner Fähigkeit zur Uran-Anreicherung Israels Geduld erschöpft sei.

Und nun kommt aus dem Iran plötzlich das Licht der Hoffnung? Wenn es gelinge, so sagte Obama in seiner Rede, das Problem des iranischen Atomprogramms zu lösen, dann sei ein wichtiger Schritt zu einer friedlichen Entwicklung im Nahen Osten getan. Der Präsident versicherte, die USA bestritten nicht das Recht des iranischen Volkes auf eine friedliche Nutzung der Kernenergie und strebten keinesfalls einen Regimewechsel an. Er zitierte Rohanis Versicherung, sein Land strebe nicht nach der Atombombe, und beauftragte Außenminister John Kerry, in Verhandlungen mit Teheran zusammen mit Franzosen, Briten und Deutschen den Pfad der Diplomatie auszutesten.

Für einen Moment suchte Obama dann die Offensive. „Ich glaube, dass Amerika einzigartig ist“, sagte er und verwies auf die Bereitschaft seines Landes, auch für das Wohl anderer zu kämpfen. Das war eine direkte Antwort an Russlands Präsident Wladimir Putin, der die Vorstellung von einer „Einzigartigkeit“ der USA als gefährlich bezeichnet hatte. Obama, der das Fünf-Minuten-Limit für Reden vor der Generalversammlung ungefähr um das Dreifache überschritt, griff auch die Schwierigkeiten einer Supermacht auf: Die USA würden weltweit gescholten, wenn sie sich im Nahen Osten einmischten, aber auch kritisiert, wenn sie untätig blieben. Damit hat der Präsident zweifellos recht. Doch Obamas Problem ist, dass er über Wochen offenbar selbst nicht wusste, ob er sich lieber wegen einer zu aktiven oder einer zu passiven Nahost-Politik attackieren lassen mochte.