Mehr rechtsfreie Räume in Arabien und Nordafrika begünstigen Islamisten

Istanbul. Die von den US-Behörden abgefangene Kommunikation der mutmaßlichen Al-Qaida-Terroristen muss relativ vage gewesen sein. Denn sonst wäre es nicht nötig, in so vielen Botschaften auf einmal den Betrieb einzustellen. Tatsächlich mussten die Experten auf ihrer Landkarte des Terrors einige zusätzliche Fähnchen anbringen. Denn durch die Umwälzungen des Arabischen Frühlings sind nicht nur mehr Waffen in die Hände von Extremisten gelangt. Auch die Zahl der Rückzugsräume für Terroristen ist gewachsen, weil die staatlichen Institutionen in einigen Gebieten die Kontrolle verloren haben. Das gilt für die Region rund um die ostlibysche Stadt Bengasi wie für den Norden der ägyptischen Sinai-Halbinsel und einige Landstriche in Nordsyrien.

Die US-Regierung hat ihre diplomatischen Vertretungen wegen einer Terrorwarnung in rund 20 islamischen Staaten für mehrere Tage geschlossen. Deutschland, Großbritannien und Frankreich haben dagegen nur ihre Vertretungen im Jemen dichtgemacht. Die kuwaitische Zeitung „Al-Sijasa“ will von einem jemenitischen Sicherheitsbeamten erfahren haben, dass die Sicherheitskräfte in der Hauptstadt Sanaa in Alarmbereitschaft versetzt wurden, nachdem Anwohner die Ankunft von Al-Qaida-Terroristen aus den Provinzen Abijan, Schabwa, Hadhramaut und Marib beobachtet hatten. Sie wollten mit Angriffen auf Botschaften und staatliche Einrichtungen Rache nehmen für den Tod von 17 Gesinnungsgenossen bei mehreren US-Drohnenangriffen in den vergangenen Wochen.

Die „Zentrale“ von al-Qaida ist zwar durch den Tod ihres Anführers Osama Bin Laden im Mai 2011 geschwächt worden. Die autonomen Ableger der Bewegung im Jemen, im Maghreb und im Irak sind jedoch heute zum Teil noch aktiver als vor Jahren. Zwar sah es nach dem Beginn des Arabischen Frühlings so aus, als könnte die Beteiligung der Muslimbruderschaft und einiger Salafisten an den Regierungen mehrerer arabischer Staaten den Zulauf militanter sunnitischer Islamisten-Gruppen bremsen. Der Bürgerkrieg in Syrien und der politische Konflikt zwischen dem schiitischen Regierungschef und den Sunniten im Irak sorgten jedoch von 2012 an für Nachwuchs bei den „Dschihadisten“.

Möglich ist auch, dass die aktuelle Bedrohungslage etwas mit den spektakulären Gefängnisausbrüchen der vergangenen Wochen zu tun hat, bei denen auch militante Islamisten freigekommen waren. Am 21. und 22. Juli konnten nach inoffiziellen Angaben rund 1000 Insassen der Gefängnisse Abu Ghraib und al-Tadschi außerhalb der irakischen Hauptstadt Bagdad entkommen. Am 27. Juli wurden etwa 1200 Häftlinge aus dem Al-Kuwjfija-Gefängnis im libyschen Bengasi befreit. In Nordwest-Pakistan befreiten die Taliban nur zwei Tage später mehrere gefährliche Extremisten aus dem Gefängnis der Ortschaft Dera Ismail Khan. Interpol sucht nach Hinweisen auf einen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Gefängnisausbrüchen sowie auf eine mögliche Beteiligung von al-Qaida.