Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger fordert Datenschutz nach deutschem Vorbild für die gesamte EU. Grüne sehen größten Datenschutzskandal

Berlin. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger will angesichts der Ausspähaffäre deutsche Datenschutzstandards zum Maßstab für künftige Regelungen auf EU-Ebene machen. Die Mitgliedstaaten müssten „gemeinsame Standards zur Weitergabe von Informationen einführen“, sagte die FDP-Politikerin. Auf EU-Ebene werde „ein Maßnahmenpaket gegen die Massenausspähung ausländischer Geheimdienste“ gebraucht. Die Verhandlungen über die EU-Datenschutzgrundverordnung seien dabei „ein erster und wichtiger Schritt“, so Leutheusser-Schnarrenberger.

Vor dem Hintergrund der NSA-Spähaffäre forderte die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Renate Künast, mehr Selbstbewusstsein gegenüber den USA. Sie sagte, der Datenschutz müsse zu einer Bedingung im europäisch-amerikanischen Freihandelsabkommen werden. Auch solle Deutschland den US-Informanten Edward Snowden in ein Zeugenschutzprogramm aufnehmen und ihm so eine „sichere Zuflucht“ gewährleisten. „Dafür brauchen wir einen Kanzler, der nicht wie Angela Merkel demütig hinter den USA herläuft, sondern klare Kante zeigt.“ Zur angeblich massiven Übermittlung deutscher Metadaten an den US-Geheimdienst NSA sagte Künast, bisher sei im Parlament nur von einer begrenzten Zusammenarbeit des BND mit der NSA die Rede gewesen. „Kanzleramtsminister Ronald Pofalla und Angela Merkel decken hier einen der größten Datenschutzskandale.“ Jetzt müsse alles auf den Tisch kommen.

Der frühere Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier verteidigte indes die schwarz-gelbe Regierung gegen den Vorwurf der Opposition, ihre Schutzpflicht gegenüber den Bürgern zu vernachlässigen. Zwar habe der Staat „die grundsätzliche Pflicht, seine Bürger vor Zugriffen ausländischer Mächte zu schützen“, sagte Papier. „Aber der Staat kann nur zu etwas verpflichtet sein, das er rechtlich und tatsächlich auch zu leisten vermag.“ Papier beklagte, dass Staaten zunehmend in der Lage seien, die Freiheitsrechte der Bürger anderer Staaten zu gefährden, ohne dass sich diese zur Wehr setzen könnten.

Der Unions-Innenexperte Wolfgang Bosbach (CDU) hat zur besseren parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste einen Beauftragten des Bundestags vorgeschlagen. Bosbach beklagte im Deutschlandfunk, dass die Parlamentarier oft unzureichend von den Diensten informiert würden. Nach der Bundestagswahl „sollen wir einmal zwischen den Fraktionen in Ruhe darüber reden, ob wir die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste nicht noch weiter verbessern können und verbessern müssen“, forderte er. Sein Vorschlag sei, einen Beauftragten des Bundestages für die parlamentarische Kontrolle der Dienste zu ernennen und ihm einen kleinen Stab an Mitarbeitern zuordnen. Ein solcher Geheimdienst-Beauftragter müsste vor allen Dingen weitgehende Zugangs- und Akteneinsicht haben, um nachrichtendienstliche Vorgänge prüfen zu können, sagte Bosbach. Ob das ein Parlamentarier neben seiner üblichen Arbeit machen könnte, müsse geklärt werden.

Bosbach stimmte nicht in die Kritik an der engen Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes (BND) mit dem US-Geheimdienst NSA ein. Für die Vorwürfe, die aktuell erhoben würden, „habe ich nur ein sehr begrenztes Verständnis“, sagte er. Dass es diese Zusammenarbeit gebe, sei nie bestritten worden. Am Sonntag hatte der BND einen Bericht des „Spiegels“ über die Weitergabe von Metadaten an den US-Geheimdienst NSA bestätigt. Der BND betonte jedoch, dass die weitergereichten Daten um die personenbezogenen Daten deutscher Staatsbürger bereinigt worden seien.