Russischer Präsident vermittelt im Atomstreit. Beim Prozess in Hamburg schweigen die Angeklagten

Hamburg. Die Sammlung der beschlagnahmten Dokumente ist lang: E-Mails, Faxe, Zeugnisse. All das findet sich in den Akten. Es sind Unterlagen, die Polizisten bei einer Razzia in Hamburg, Weimar, Halle und Oldenburg im Sommer 2012 sicherstellen konnten. Die Papiere sollen belegen, dass vier Männer Spezialventile für einen Atomreaktor in den Iran geliefert haben – trotz eines strikten Handelsembargos mit dem Regime in Teheran. Am Mittwoche hatte vor dem Oberlandesgericht in Hamburg nun der Prozess begonnen. Ankläger sind zwei Staatsanwälte der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe. Denn es geht um schwere Vorwürfe: Verbrechen nach dem Außenwirtschaftsgesetz und Verbrechen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz.

Im Gerichtssaal 237 schwiegen die Angeklagten am ersten Prozesstag. Sie hätten billigend in Kauf genommen, dass die von ihnen vermittelten Spezialventile für Kernwaffen verwendet werden könnten, sagte der Vertreter der Bundesanwaltschaft. Die Ventile sollen für den Schwerwasserreaktor Arak bestimmt gewesen sein. Seit 2002 bestehen aufseiten der Vereinten Nationen erhebliche Zweifel darüber, wofür das Regime im Iran seine nuklearen Anlagen nutzt: zur Stromgewinnung, zur Forschung oder aber zur Produktion von Atomwaffen. Mehrfach hatte die Regierung des früheren Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad Staaten wie Israel gedroht.

Für den Prozess sind bisher 33 weitere Verhandlungstage bis Ende Dezember geplant. In den kommenden Verhandlungstagen will sich zumindest einer der Angeklagten zu den Vorwürfen äußern. Wie das Hamburger Abendblatt berichtete, sollen die US-amerikanischen Sicherheitsbehörden ihren deutschen Kollegen bereits 2009 den Hinweis auf einen geplanten Handel mit den Spezialventilen gegeben haben.

Russlands umstrittener Präsident will mit dem moderaten Rohani sprechen

Aus Sicht des Zollkriminalamtes (ZKA) hätten aber die Tipps der USA vorerst nicht gereicht, um in Deutschland Abhörmaßnahmen gegen die Unternehmer einzuleiten. Das erfolgte erst 2012 per richterlichem Beschluss.

Neben der Frage, welche Rolle die amerikanischen Sicherheitsbehörden bei der Aufdeckung der mutmaßlichen Embargo-Verstöße gespielt haben, ist für die Rechtsanwälte der Angeklagten auch die Frage entscheidend, wie stark der Iran überhaupt an einem Atomwaffenprogramm arbeite und welche Belege es dafür zum Zeitpunkt des Geschäfts mit den Ventilen gegeben hat. Immer wieder kam der Iran Auflagen der Internationalen Atomenergiebehörde nicht nach. Nun schaltet sich offenbar der russische Präsident Wladimir Putin in die Atomgespräche mit dem Iran ein. Putin werde den neuen iranischen Präsidenten Hassan Rohani unmittelbar nach dessen Amtsantritt im August besuchen und Gespräche über das Atomprogramm führen, berichteten die russische Zeitung „Kommersant“. Ein Sprecher Putins lehnte einen Kommentar zu den Berichten ab.

Russland, das Teil der internationalen Atom-Verhandlungsgruppe mit dem Iran ist, hatte bereits früher für einen Kompromiss im Atomstreit geworben. Dieser sieht eine Einschränkung der iranischen Anreicherungsaktivitäten und im Gegenzug Erleichterungen bei den gegen das Land verhängten Sanktionen vor. Die letzte Verhandlungsrunde der fünf Uno-Veto-Mächte und Deutschlands mit dem Iran im April in Kasachstan hatte keine Annäherung gebracht. Der neu gewählte iranische Präsident Rohani wird als vergleichsweise moderat eingeschätzt, doch bestimmt letztlich der geistliche Führer Ajatollah Ali Khamenei den Kurs des Landes.