Glenn Greenwald hat die Geheimnisse des Ex-NSA-Mitarbeiters Edward Snowden enthüllt

Washington. Die Grenze zwischen den Themen, über die er schreibt, und der Sphäre, in denen sie handeln, verschwimmt derzeit. Was Glenn Greenwald, der investigative Journalist, der dem ehemaligen US-Geheimdienstmann und Geheimnisverräter auf der Flucht, Edward Snowden, aus Hongkong heraus bei der Verbreitung von Topsecret-Dokumenten half, derzeit erlebt, könnte auch aus einem Agententhriller stammen. Da ist der mysteriöse Einbruch in das Haus in Rio de Janeiro, in dem der Amerikaner und bekennende Homosexuelle zwischen seinen ausgedehnten Recherchereisen zusammen mit seinem brasilianischen Lebensgefährten wohnt. „Als ich in Hongkong war, sprach ich mit meinem Partner in Rio via Skype und sagte ihm, dass ich ihm eine elektronisch verschlüsselte Kopie der Dokumente schicken würde“, so Greenwald zum Internetmagazin „The Daily Beast“. „Dann kam ich aber nicht dazu. Zwei Tage später wurde sein Laptop aus unserem Haus gestohlen, und nichts anderes wurde mitgenommen. Nie zuvor ist so etwas passiert. Ich sage nicht, das steht in einem Zusammenhang, aber offenkundig besteht diese Möglichkeit.“

Diese Tage und Wochen bescheren Greenwald eine mediale Dauerpräsenz. Die Affäre um den auf der Suche nach Asyl in Moskau gestrandeten Snowden, der von der amerikanischen Justiz gesucht wird, hat den auch zuvor bereits einschlägig profilierten Greenwald vollends ins Scheinwerferlicht katapultiert. Die Mission des 46-Jährigen ist der Kampf gegen staatliche Macht generell und gegen staatliche Überwachung im Besonderen. Dabei greift er gern zu dezidierten, mitunter recht martialischen Äußerungen.

„Die US-Regierung sollte jeden Tag auf ihren Knien beten, dass Snowden nichts passiert“, sagte Greenwald kürzlich der argentinischen Tageszeitung „La Nación“, „denn wenn ihm etwas passiert, werden alle seine Informationen enthüllt, und das könnte ihr schlimmster Albtraum werden.“ Das ist nicht sehr diplomatisch formuliert.

Als ein Reuters-Journalist die Sätze für eine Agentur-Zusammenfassung zitierte, beschwerte sich Greenwald in dem Blog, den er für seinen Arbeitgeber, den linksliberalen britischen „Guardian“, betreibt. Das sei eine „Erfindung“, mit der „die US-Regierung und ihre Journalistenfreunde“ vom Inhalt der Enthüllung ablenken wollten. Doch die Passage findet sich wörtlich in dem „Nación“-Interview wieder.

Bevor er zum Enthüllungsjournalisten wurde, arbeitete Greenwald Mitte der 90er-Jahre als Anwalt für eine prominente Kanzlei in New York. Später gründete der Jurist, der an der George-Washington-Universität in der Hauptstadt und an der New York University Law School studiert hatte, seine eigene Kanzlei. Doch er ließ den Anwaltsberuf sausen, weil er „nicht die reichen Leute vertreten wollte – ich wollte sie verklagen“: Er wurde Blogger, befasste sich ab 2005 vor allem mit Bürgerrechten, prangerte die Regierung von George W. Bush wegen der Überwachung der Telekommunikation an und machte weiter, als er unter Präsident Barack Obama keine Änderung feststellen konnte.

In der aktuellen Geheimdienstaffäre ist Greenwald viel mehr als nur ein beobachtender Journalist. Er, der dem „Guardian“ jene Enthüllungsgeschichte über das NSA-Programm Prism schrieb, hatte mit Edward Snowden Kontakt, bevor der mit den streng geheimen Unterlagen das Weite suchte. Greenwald half dem ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter, von Hongkong aus einen Teil seines Materials in die Öffentlichkeit zu bringen und den Rest in Sicherheit. Greenwald selbst sagt, Snowden habe als eine Art „Rückversicherung“ die von ihm aus dem NSA-Posten auf Hawaii herausgeschmuggelten Dokumente in verschlüsselter Form mehreren Personen geschickt. Es handele sich dabei um „mehrere 1000 Seiten“, von denen bislang nur ein sehr kleiner Teil veröffentlicht wurde.

Greenwald, der im New Yorker Stadtteil Queens geboren wurde und im südlichen Florida aufwuchs, beschäftigt sich keineswegs nur mit der Datensammelwut der Geheimdienste. Er wittert Missstände vielerorts. So klagte er in seinem 2011 erschienenen Buch „With Liberty And Justice For Some“ (Mit Freiheit und Gerechtigkeit für manche): „Strafverfolgung ist einfach nicht gemacht für die Eliten des Landes.“ Und weiter: „Gerichtssäle, Anklageschriften und Gefängnisse sind da für den einfachen Amerikaner, nicht für die herrschende Klasse und praktisch nie für unsere Spitzenpolitiker.“ Das zentrale Versprechen der Gründung Amerikas, nämlich „dass alle gleich sind vor dem Gesetz, unabhängig davon, ob an anderer Stelle politische oder wirtschaftliche Ungleichheit erlaubt sei, ist aufgegeben worden“.

Der Journalist jüdischer Abstammung kritisiert auch die internationalen Sanktionen gegen Teheran. Washington fürchte die iranische Atomwaffe nicht, weil der Iran damit die USA angreifen könne, sondern „weil wir dann nicht länger den Iran angreifen können, wenn wir das wollen“, behauptete er im Oktober im „Guardian“. Ebenso verurteilt Greenwald den „Drohnen-Terrorismus“ der USA gegen Ziele vor allem in Pakistan.

Schon als 17-Jähriger kandidierte Greenwald – erfolglos – für den Stadtrat in Lauderdale Lakes in Florida. Sein Vorbild dabei war der Großvater, der als Ratsmitglied „versuchte, arme Hausbesitzer zu verteidigen gegen die Mächtigen“. Er habe ihn, den Enkel, gelehrt, dass man alle seine Fähigkeiten einsetzen solle, um „die stärksten und einflussreichsten Menschen zu schwächen“.