Neue Lücken im Haushalt entdeckt. EU-Spitzen wollen die Troika – Deutschland nicht. Proteste gegen geplante Massenentlassungen in Athen

Brüssel. Die Beobachtermission aus Internationalem Währungsfonds (IWF), EU und Europäischer Zentralbank (EZB) hat neue Haushaltslücken im griechischen Budget entdeckt. Für die Haushaltsjahre 2013 und 2014 belaufen sich die Löcher im Staatshaushalt auf je ein halbes Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das geht aus dem jüngsten Griechenland-Bericht der Troika hervor.

Für die Lücken im Etat sind unter anderem „Ausgabeüberschreitungen im Gesundheitssektor und Verzögerungen bei der Erhebung von Grundsteuern ursächlich“, schreibt Steffen Kampeter, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium in seinem Begleitschreiben für den Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages. „Die erforderlichen Maßnahmen, um wie geplant im Jahr 2013 einen ausgeglichenen Saldo und im Jahr 2014 einen Überschuss von 1,5 Prozent des BIP zu erreichen, wurden identifiziert und sollen im Juli beschlossen werden.“

Die EU-Kommission widersprach allerdings anderen Medienberichten, wonach es eine kurzfristige Finanzierungslücke von bis zu zehn Milliarden Euro gebe. Ein Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn sagte, dass es nach derzeitiger Einschätzung „Ende 2014“ eine Finanzierungslücke in der Spanne von 2,8 bis 4,6 Milliarden Euro in dem Griechenland-Programm geben könnte. Neue Einschätzungen sollen bald vorliegen – eine dramatische Änderung des Betrages für das Finanzloch sei aber nicht zu erwarten. Unter Berufung auf den Troika-Bericht weist Kampeter weiter darauf hin, dass die Privatisierung von Staatsfirmen nur langsam vorankommt. „Begrenzte Fortschritte gab es bei der Privatisierung“, heißt es. „Die Privatisierungserlöse bleiben im Jahr 2013 voraussichtlich hinter den Erwartungen zurück.“

Die Troika sieht außerdem Umsetzungsrisiken im Programm. „Die regierende Koalition verfügt nur über eine relativ dünne Mehrheit im Parlament“, schreibt Kampeter. Die Konjunkturerholung werde durch die schwache Wirtschaftslage in der gesamten Euro-Zone belastet. Wichtige Reformen der öffentlichen und der Finanzverwaltung stießen zudem auf Widerstand. Trotz der noch immer vorhandenen Probleme und Risiken ziehen Troika und Bundesregierung einen positiven Schlussstrich unter die Entwicklung in Athen. Das Land soll die nächste Hilfstranche von drei Milliarden Euro aus dem Rettungspaket in zwei Subtranchen von zunächst 2,5 und später 0,5 Milliarden Euro erhalten, wenn es die notwendigen Anpassungsmaßnahmen umsetzt.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) fliegt am heutigen Donnerstag auf Einladung der griechischen Regierung nach Athen. Dem Vernehmen nach will er dort aber weder über einen Schuldenschnitt noch über weitere Milliardenhilfen reden. Einzig ein 100-Millionen-Euro-Hilfspaket, mit dem eine Art griechischer Kreditanstalt für Wiederaufbau gefördert werden soll, könnte besprochen werden. Schäuble allerdings kommt zu einer Zeit nach Athen, in der die Stimmung vor Ort angespannt ist. Seit Tagen schon wird in Griechenland gegen die weitere Umsetzung der Reformen gestreikt. Und unmittelbar vor dem Besuch wollte das Athener Parlament am Mittwochabend über ein umstrittenes Gesetz abstimmen, das unter anderem die Entlassung von 15.000 Staatsbediensteten vorsieht. Billigen die Abgeordneten das Gesetz nicht, könnte die Regierung stürzen. Für die Umsetzung der zugesagten Reformen wäre das ein schlechtes Signal. Die Koalition hat nur eine knappe Mehrheit von 155 Abgeordneten im 300 Sitze zählenden Parlament. Sollte das Gesetz scheitern, bekommt das schuldengeplagte Land die nächste Hilfstranche der internationalen Geldgeber in Höhe von 2,5 Milliarden Euro nicht. Die Abstimmung sollte erst nach Mitternacht beginnen.

Unterschiedliche Meinungen über das weitere Vorgehen scheint es auch zwischen den EU-Spitzen und Deutschland zu geben. Die stellvertretende EU-Kommissionspräsidentin Viviane Reding forderte eine Auflösung der Troika. „Die Troika gehört abgeschafft“, sagte sie der „Stuttgarter Zeitung“. „Sie war notwendig in einer Notsituation, als schnell etwas aufgebaut werden musste. Jetzt aber besitzt Europa die nötigen Fähigkeiten, um in Wirtschafts- und Finanzfragen die entsprechenden Analysen durchzuführen.“

Mit dieser Position findet Reding allerdings in Deutschland keine Unterstützung. Das System aus IWF, EU und EZB habe sich bewährt, hieß es im Bundesfinanzministerium. Die Expertise des IWF sei in diesem Zusammenhang sehr wichtig. Es gebe in der EU auch keine breite Diskussion über die Frage. Für die Bundeskanzlerin war die Beteiligung des IWF von Beginn der Euro-Krise an eine Bedingung für deutsche Hilfe. In Berlin fürchtet man, dass eine Beobachtertruppe unter Führung der EU das Bild von der Lage der Schuldenländer schönen könnte und in seinen Maßnahmen zu weich sei. Unterstützung erhält Deutschland auch von der EZB. „Es gibt zu der Troika kurzfristig keine funktionierende Alternative“, sagte Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen „RP Online“. Keine Institution habe alleine das Wissen und die Erfahrung, die die drei Organe gemeinsam hätten. Nur langfristig könnte man über europäische Alternativen nachdenken.