Moslem-Führer Ghulam Azam für Kriegsverbrechen aus dem Jahr 1971 verurteilt

Dubai. In Bangladesch hat ein Sondertribunal am Montag den Islamistenführer Ghulam Azam, 91, wegen Kriegsverbrechen zu 90 Jahren Haft verurteilt. Nach dem Richterspruch kam es zu Protesten und Übergriffen auf Sicherheitskräfte. Demnach schleuderten mehrere Protestierende Brandsätze auf Beamte, die ihrerseits Gummigeschosse abfeuerten. Beobachter befürchten nun erneut gewaltsame Proteste auf den Straßen, wie sie nach mehreren ähnlichen Urteilen gegen führende Politiker der Jamaat-e-Islami ausgebrochen waren. Im Februar waren dabei 70 Menschen getötet worden.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Azam während des Unabhängigkeitskrieges von Pakistan 1971 Morde, Folterungen und ethnische Säuberungen geplant und ausgeführt hatte. Er wurde in allen 61 Anklagepunkten schuldig gesprochen, darunter wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verschwörung, Volksverhetzung und Anstiftung zum Mord. Azam hatte in dieser Zeit die Jamaat-e-Islami-Partei geleitet, die während des Krieges mit eigenen Miliz-Einheiten brutal gegen die Unabhängigkeitsbewegung vorging. Aufgrund des hohen Alters des Angeklagten sah das Gericht davon ab, die Todesstrafe zu verhängen. Die Verteidigung kündigte umgehend Berufung gegen das Urteil an.

Nationalistische Partei sieht in Tribunal Versuch, die Opposition zu schwächen

Der neunmonatige Sezessionskrieg mit Pakistan war von besonderer Grausamkeit geprägt. Schätzungen zufolge kamen bis zu drei Millionen Menschen ums Leben. Öffentliche Exekutionen, Vertreibungen, Massenvergewaltigungen und Zwangskonvertierungen waren an der Tagesordnung. Azam pflegte während des Krieges gute Verbindungen zu Pakistan und bemühte sich um internationale Unterstützung für den Verbleib Bangladeschs als Teil Pakistans. Er kehrte erst sieben Jahre nach Kriegsende in seine Heimat zurück.

2010 hatte die Regierung von Premierministerin Sheikh Hasina ein Sondergericht zur Aufklärung von Kriegsverbrechen gebildet. Dieser Schritt stieß bei der Opposition auf heftige Kritik. Die Nationalistische Partei, geführt von Ex-Regierungschefin Khaleda Zia, sieht in dem Tribunal einen Versuch, die Opposition mit Blick vor der Wahl im Januar 2014 zu schwächen. Die Jamaat-e-Islami-Partei ist einer ihrer wichtigen Bündnispartner.

Bangladesch am Golf von Bengalen gehört zu den ärmsten Ländern Asiens. Muslime machen um die 90 Prozent der 150 Millionen Einwohner aus. Der rasante Aufstieg der Textilindustrie löste politische und soziale Spannungen aus. Streiks und Unruhen in den Vororten der Hauptstadt Dhaka, wo Hunderttausende in Kleiderfabriken arbeiten, sind an der Tagesordnung. Armut, Korruption, Umweltprobleme und Unsicherheit bereiten den Boden für ein Erstarken extremistischer Kräfte.