Die Islamisten mobilisieren weniger Menschen als erhofft. Doch die Lage bleibt ernst

Kairo. In Ägyptens Hauptstadt haben sich am Freitag Anhänger und Gegner des vom Militär gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi zu Tausenden zu neuen Demonstrationen versammelt. Die Gefolgsleute des entmachteten Islamisten wollen mit ihren Protesten, zu denen sie Millionen Ägypter aufgerufen haben, die Freilassung und Wiedereinsetzung des früheren Staatschefs erreichen. Doch es kamen weitaus weniger, als die Muslimbrüder erhofft hatten.

Tatsächlich wurde die Muslimbruderschaft von der Absetzung Mursis kalt erwischt. Ihre starre und zentralistische Organisationsstruktur ist ein Produkt von Jahrzehnten der Arbeit in der Illegalität. Das Lenkungsbüro ist innerhalb der Organisation ähnlich mächtig wie es einst das Politbüro der SED war. Die alten Kader nahmen weder den Popularitätsverfall Mursis während seiner einjährigen Präsidentschaft wahr, noch sahen sie die Intervention des Militärs kommen.

Auch die Mursi-Gegner von der Tamarud-Jugendbewegung luden zu einer Kundgebung anlässlich des Fastenmonats Ramadan auf dem Tahrir-Platz ein. Neue Zusammenstöße der verfeindeten Gruppen oder mit den Sicherheitskräften wurden nicht ausgeschlossen. In den vergangenen Tagen waren bei Gewaltakten mehr als 90 Menschen getötet worden.

Der gestürzte Mursi soll noch immer in einer Kaserne festgehalten werden

Der am Mittwoch vor einer Woche abgesetzte Mursi wird offiziellen Angaben zufolge noch immer in der Kaserne der Republikanischen Garde festgehalten, vor der Soldaten am Montag Dutzende Demonstranten erschossen hatten. Die Muslimbrüder werfen dem Militär vor, auf friedliche und betende Menschen geschossen zu haben. Die Streitkräfte erklärten dagegen, sie hätten nach Angriffen das Feuer erwidert. In Justizkreisen hieß es, Mursi werde wahrscheinlich der Prozess gemacht.

Das US-Außenministerium hatte Unterstützung für die neuen Machthaber signalisiert und Mursis Herrschaftssystem als nicht demokratisch beschrieben. Ägypten bekommt von den USA jährlich 1,5 Milliarden Dollar, deren Löwenanteil an das Militär geht.

Doch die Bildung der neuen Regierung lässt auf sich warten. Der geschäftsführende Ministerpräsident Hasem al-Beblawi sagte, er werde Sonntag mit den Gesprächen zur Bildung eines Kabinetts beginnen. Ende kommender Woche soll es vereidigt werden – eine Woche später als geplant.