Luxemburgs Regierungschef stolpert möglicherweise über Geheimdienstaffäre

Brüssel. Er ist einer der letzten glühenden Europäer und gilt als Vater der Gemeinschaftswährung. Genau das könnte Jean-Claude Juncker nun zum Verhängnis werden. Der luxemburgische Regierungschef, 58, steht in seinem Heimatland vor dem politischen Aus, weil er das Großherzogtum zugunsten von Brüssel vernachlässigt haben soll. Seit 18 Jahren ist er Premier, die vergangenen acht führte er außerdem die Euro-Gruppe. Während er als Chef der Finanzminister den Euro in Brüssel rettete, entwickelte sein Geheimdienst offenbar ein Eigenleben.

Ob der erfahrene Politiker nun von den dunklen Machenschaften bei seinen Spionen wusste oder nicht: Was bei den Schlapphüten passiert, liegt in seiner Verantwortung. Sogar in Junckers politischem Umfeld geht man davon aus, dass der Regierungschef am heutigen Mittwochabend deshalb seinen Rücktritt einreichen könnte. Zuvor wird „Mister Euro“ im Parlament stundenlang zur Geheimdienstaffäre gegrillt worden sein. Der Untersuchungsausschuss wirft ihm vor, er habe sich als der für den Geheimdienst verantwortliche Politiker nicht genügend um den Service de Renseignement de l'Etat du Luxembourg (SREL) gekümmert. Prominentestes Opfer war dabei Juncker selbst: Geheimdienstchef Marco Mille zeichnete mit einer Spezialarmbanduhr heimlich ein Gespräch auf, das er im Januar 2007 mit Juncker führte. Als Juncker Ende 2008 davon erfuhr, war das Vertrauensverhältnis zerstört: Mille wurde 2010 Sicherheitschef des Siemens-Konzerns.

Der Dienst habe nebenher auch mit staatlich beschafften Autos gehandelt und eine Wohnung für den früheren Präsidenten des Rechnungshofs bezahlt. Ein Zeuge will den Luxemburger Prinzen Jean in den 80er-Jahren bei einem Bombenanschlag beobachtet haben, was dieser empört bestreitet. Zwei ehemalige Gendarme müssen sich wegen einer Serie von Sprengstoffanschlägen zwischen 1984 und 1986 verantworten. Bei den 20 Taten hatte es mehrere Verletzte geben. Es entstand ein Millionenschaden. Immer wieder wurde während des Prozesses spekuliert, dass der Geheimdienst auch hier die Finger im Spiel hatte. Ziel der Bombenleger sei es gewesen, für eine bessere Ausstattung der Polizei zu sorgen.

In den vergangenen Tagen ist selbst der Koalitionspartner von Juncker abgerückt – der Regierungschef ist seither endgültig angezählt. Ein Rücktritt wäre eine große politische Niederlage für ihn. Dabei ist noch keineswegs ausgemacht, dass die Geheimdienstaffäre tatsächlich Junckers Karriere beendet. Egal ob er nun freiwillig geht oder ein Misstrauensvotum ihn dazu zwingt: Die Mehrheit der Luxemburger würde ihn bei Neuwahlen wohl wieder wählen.