51 Tote, Hunderte Verletzte in Kairo. Muslimbrüder beschuldigen Militär und rufen zu Aufstand auf
Kairo. Nach der blutigsten Konfrontation seit dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi steuert Ägypten auf einen Bürgerkrieg zu. Vor dem Hauptquartier der Republikanischen Garden in Kairo feuerte die Armee am Montagmorgen auf Anhänger Mursis, die sich vor der Kaserne versammelt hatten, in der der Ex-Präsident festgesetzt ist. Mindestens 51 Menschen starben nach Angaben der Rettungsdienste, mehr als 400 wurden verletzt.
Die Umstände eines der blutigsten Zwischenfälle seit Jahren im bevölkerungsreichsten arabischen Land blieben zunächst unklar: Während die Armee und Interimspräsident Adli Mansur vom Versuch der Mursi-Anhänger sprachen, das Gebäude zu stürmen, gaben die dem Ex-Präsidenten nahestehenden Muslimbrüder an, das Militär habe auf friedlich betende Demonstranten gefeuert. Die Muslimbrüder, die bislang weitgehend friedlich gegen die Absetzung Mursis protestiert hatten, riefen ihre Anhänger zu einem Aufstand auf. Damit scheint der Versuch endgültig gescheitert, sie in den politischen Prozess einzubeziehen.
Auch die zweitgrößte islamistische Strömung in Ägypten, die salafistische Nur-Partei, zog unmittelbar weitreichende Konsequenzen aus den blutigen Ereignissen in Kairo. Als Reaktion auf das „Massaker“ werde sie sich mit sofortiger Wirkung von allen Verhandlungen über die Bildung einer neuen Regierung und dem gesamten von der Armee initiierten politischen Prozess zurückziehen, teilte die ultrakonservative Partei mit. Die Nur-Partei hatte den Sturz Mursis mitgetragen und galt als wichtige Kraft beim Versuch, alle politischen Strömungen in den Demokratisierungsprozess einzubeziehen.
Übergangspräsident Mansur kündigte die Einsetzung einer Untersuchungskommission zu den Vorfällen an. Zugleich rief er die Demonstranten auf, sich von Kasernen und anderen „vitalen Einrichtungen“ des Staates fernzuhalten. Präsidentensprecher Ahmed al-Moslimany sagte, die Ereignisse würden die Bemühungen um eine Übergangsregierung und die Vorbereitungen für Wahlen und eine Verfassung nicht aufhalten. Auch der liberale Friedensnobelpreisträger Mohammed al-Baradei, dessen Berufung zum Ministerpräsidenten an der islamistischen Nur gescheitert war, rief eindringlich zu weiterer Versöhnung auf.
Aus Militärkreisen hieß es zu den Vorfällen, bewaffnete Anhänger der Muslimbrüder hätten versucht, das Gebäude in der Dämmerung zu stürmen. Die Soldaten hätten das Feuer erwidert. Ein Offizier wurde nach Armeeangaben dabei getötet, 40 Soldaten wurden verletzt. Die Muslimbrüder machten dagegen die Armee für die Gewalt verantwortlich. Die Demonstranten seien beim Gebet sowie bei einer Sitzblockade erschossen worden.
In Berlin zeigte sich das Auswärtige Amt bestürzt über die Ereignisse und äußerte die Sorge vor einer weiteren Eskalation. Von Reisen nach Ägypten, insbesondere in das Nildelta, auf den Sinai sowie in das ägyptisch-libysche Grenzgebiet rät das Auswärtige Amt dringend ab. Dies gelte auch für die Touristenzentren in Oberägypten und die Nilkreuzfahrten. Dieser Hinweis gilt nicht für die Touristengebiete am Roten Meer und auf dem Sinai zwischen Scharm al-Scheich und Nuwaiba.
(rtr)