Kein Land hat die Entmachtung in Ägypten schärfer kritisiert. Erdogan bricht Urlaub ab

Istanbul. „Ich verfluche den schmutzigen Coup in Ägypten.“ Mit diesen Worten kommentierte Hüseyin Celik, Sprecher der türkischen Regierungspartei AKP, die Ereignisse in Ägypten. Es war die bisher schärfste Verurteilung der Entmachtung des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi, auch international – die meisten Regierungen halten sich zurück, kritisieren „Fehler“ des gestürzten Präsidenten, mahnen eine Rückkehr zum Demokratisierungsprozess an und vermeiden, von einem Militärcoup zu sprechen.

Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu forderte die Freilassung der „gewählten Führer des Landes“. Der Militärcoup sei „besorgniserregend“ und „inakzeptabel“. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan brach derweil seinen Urlaub ab und wollte am Donnerstag über die Ägypten-Krise beraten. Bis dahin hatte er zum Thema geschwiegen – obwohl er auf dem Höhepunkt der ägyptischen Proteste eine Rede vor der AKP-Fraktion gehalten hatte.

Regierungspartei AKP vermutet hinter Protesten Drahtzieher aus dem Westen

Sein Schweigen war umso bemerkenswerter, da er zuvor zwischen den Protesten in Brasilien und jenen gegen ihn auf dem Istanbuler Taksim-Platz Parallelen gezogen hatte: Da seien dieselben dunklen internationalen Mächte am Werk. Was liegt da näher, als auch in Ägypten eine „Verschwörung“ dieser Mächte zu sehen? Anders als in Brasilien liegt der Vergleich durchaus nahe. In Ägypten wie in der Türkei spielt das Militär traditionell eine zentrale politische Rolle.

In beiden Ländern reagierte ein erheblicher Teil der Bevölkerung empört auf Arroganz und Machtgier islamischer Regierungen, die im Gegensatz zu ihren Versprechungen einer freien Gesellschaft konfrontativ ihre Macht ausbauten und ihre eigenen ideologischen Vorstellungen durchsetzten. Und beide Länder sind strategisch von zentraler Bedeutung für die USA. Weil das alles so ist, betrachten die Führer der AKP die Ereignisse in Ägypten wie einen Horrorfilm. Parteisprecher Celik zumindest brachte „westliche Mächte“ als Drahtzieher des ägyptischen Coups ins Spiel.

Aber wer sollen diese westlichen Mächte sein? Es können eigentlich nur die USA gemeint sein, denn niemand anderem bedeutet die Region so viel, niemand sonst hat den erforderlichen Einfluss. Wenn aber die AKP ihre eigenen Phrasen ernst nimmt, dann würde das bedeuten, dass in ihren Augen die USA zumindest an Erdogan genug auszusetzen haben, um ihn mindestens zurechtstutzen zu wollen.