Wie die EU den Kohlendioxidausstoß auf ein Niveau senken will, das weltweit einzigartig ist

Brüssel. Der europäische Gesetzgeber hat sich auf strenge Grenzen für den Kohlendioxidausstoßes (CO2) von Neuwagen geeinigt. Autos dürfen ab 2020 im Durchschnitt nur noch 95 Gramm des Klimagases pro Kilometer ausstoßen. Das ist ein Minus von 27 Prozent gegenüber dem derzeitigen Ziel, das bis 2015 erreicht sein muss. Europaparlament, Kommission und die Verhandlungsführer der Mitgliedsstaaten einigten sich in der Nacht zu Dienstag auf die neuen Regeln.

Sie bedeuten für die Umwelt: Autos werden, jedes für sich, weniger schädlich sein. Sie bedeuten für die Hersteller eine nicht unerhebliche Anstrengung; ambitioniertere Ziele hat zum Stichtag kein anderer Wirtschaftsraum der Welt. Sie bedeuten für Europas Straßen: Die Motoren werden kleiner werden müssen. Vor allem aber bedeuten sie für Autokäufer: Neuwagen werden erheblich teurer. Eine Studie der RWTH Aachen aus diesem Jahr beziffert den Mehrpreis mit 2800 bis 3600 Euro.

Die EU-Kommission setzt diese Kosten deutlich niedriger an und meint, sie bezahlten sich durch geringeren Kraftstoffverbrauch über die Laufzeit eines Autos ganz von alleine. Der CO2-Ausstoß hängt eng mit dem Benzindurst eines Autos zusammen. Eine Reduktion ist vor allem über sparsame Motoren zu erreichen. Kommt es auch so? „Eine Garantie kann niemand geben“, heißt es in einer Studie der Deutschen Bank aus der vergangenen Woche. Wer wollte etwa schon voraussagen, wie sich die Kraftstoffpreise in den kommenden sieben Jahren entwickeln.

Die Gesetzgebung zum CO2-Ausstoß ist ein Prestigeprojekt von Klimakommissarin Connie Hedegaard. So erbittert, wie Mitgliedsstaaten mit einer starken Autoindustrie, Parlament und Kommission um die Grenzwerte stritten, so wenig darf die Deutung des irischen Umweltministers Phil Hogan verwundern, der die Verhandlungen leitete und nach deren Abschluss, sagte: „Diese Einigung stellt klar eine Win-win-Situation für das Klima, für Verbraucher, für Innovation und Arbeitsplätze dar.“

Jeder der Verhandlungspartner musste Maximalforderungen stutzen. Die Mitgliedsstaaten, Deutschland zuvorderst mit seinen besonders geforderten Herstellern von schweren (daher viel Kraftstoff verbrauchenden und viel CO2 ausstoßenden) Autos, bekam keine sonderlich bevorzugte Anrechnung von Elektroautos. Im Durchschnitt zählt laut der Einigung ein verkaufter Wagen mit besonders niedrigem CO2-Ausstoß von höchstens 50 Gramm künftig 1,5-mal so viel bei der Berechnung des Flottendurchschnittes wie ein Auto mit durchschnittlichem Verbrauch.

50 Gramm schließt Elektroautos mit ihren Nullemissionen ein, ebenso wie einige Hybride, durchaus aber nicht alle. Porsches neues Plug-in-Modell des Panamera stößt etwa laut Hersteller 71 Gramm pro Kilometer aus, ist aber auch immer noch ein Sportwagen. Toyota gibt für den Prius Plug-in, der also an der Steckdose aufladbar ist, 49 Gramm an.

Das Parlament musste darauf verzichten, noch erheblich weitergehende Ziele für das Jahr 2025 in die Gesetzgebung zu schreiben. Dass es diese Ziele aber geben soll, steht in der Übereinkunft, dass 2025 das Stichdatum dafür ist, in den sogenannten Erwägungsgründen, die als Teil, aber noch vor dem ersten Artikel der neuen Verordnung deren Ziel und Geist beschreiben. Verhandlungsführer Hogan lobt das als „klares Signal an die Autoindustrie hinsichtlich des Niveaus des erwarteten Ehrgeizes im Jahr 2015“ und lobt die Einigung diesbezüglich. Sie habe „genügend Zeit eingeräumt, um Autos zu entwickeln, zu testen und herzustellen, die jedes neue Ziel erreichen können“.

Auch die Kommission musste Federn lassen, wollte sie die besondere Anrechnung von Elektroautos zunächst nämlich gar nicht, begrüßte sie die erheblichen Verschärfungen, die ihr Entwurf im Parlament und dessen Umweltausschuss erfuhr, dann doch recht explizit. Die Hersteller könnten sich über die Sonderanrechnung mit ein paar klimaschonenden Schaufenstermodellen einen Persilschein dafür erkaufen, gar nicht ernsthaft an der CO2-Reduktion ihrer Verbrennungsmotoren zu arbeiten, war der Verdacht der Umweltschützer.

Um die Hersteller aber hinsichtlich des Ehrgeizniveaus, das man von ihnen erwartet, nicht lange rätseln zu lassen, behielt sich die Kommission nach Informationen aus Verhandlungskreisen vor, eine Begleitdeklaration zum Kompromiss zu verfassen. Was darin stehen soll? Zwei Dinge. Einmal kündigt die Kommission darin an, bis 2017 in der EU einen neuen Testzyklus vorzuschreiben, der den Verbrauch besser als der heute gültige messen soll. Der Zyklus soll eigentlich weltweit umgestellt werden, aber die Verhandlungen darüber stocken.

Zweitens: Die Kommission will sich auf konkrete Werte für das Jahr 2025 verpflichten, die es mangels allgemeiner Akzeptanz nicht in den Kompromiss des Gesetzgebers geschafft haben. Sie sollen also, so will die Kommission geloben, eine Rolle bei der Ausarbeitung des nächsten Zieles spielen. 68 bis 78 Gramm, so schlug es das Parlament vor, eine Reduktion um etwa die Hälfte des heutigen – realen – Wertes.