Proteste in Brasilien gehen trotzdem weiter. Neue Zusammenstöße von Polizei und Demonstranten

Brasilia. In Brasilien reißen die Proteste trotz der Reformzusagen von Präsidentin Dilma Rousseff nicht ab. Auch am Wochenende gingen erneut Zehntausende Menschen auf die Straße, um gegen Mängel im Bildungs- und Gesundheitswesen sowie die Korruption und die hohen Ausgaben für die Fußball-WM 2014 zu demonstrieren. An den Protesten beteiligten sich aber weitaus weniger Menschen als noch in den vergangenen Tagen.

In Belo Horizonte gingen Polizisten mit Tränengas gegen Protestierende vor, die das Fußballstadion stürmen wollten, wo Japan und Mexiko im Rahmen des Confederations Cup ein Länderspiel austrugen. Das Turnier ist die Generalprobe zur Weltmeisterschaft 2014. Mit geschätzten 66.000 Teilnehmern war die Kundgebung in Belo Horizonte Schauplatz der größten Demonstration am Sonnabend. Einige Demonstranten überwanden Absperrgitter und versuchten, das Fußballspiel Mexiko gegen Japan zu stören. In São Paulo protestierten 30.000 Menschen gegen Pläne, die Vollmachten von Staatsanwälten in Korruptionsverfahren einzuschränken. In der Hauptstadt Brasilia beteiligten sich 4000 Menschen an einer „Schlampen-Parade“ für Frauenrechte. Insgesamt gingen aber weitaus weniger Menschen auf die Straße als auf dem Höhepunkt der Proteste am Donnerstag, als über eine Million Brasilianer demonstrierten.

In einer Fernsehansprache zeigte Rousseff Verständnis für die Anliegen der Demonstranten, kündigte zugleich aber ein konsequentes Einschreiten der Sicherheitskräfte gegen Gewalttäter an. Die Präsidentin sagte, sie wolle sich bald mit Führern der Protestbewegung treffen, die seit mehr als einer Woche ihren Ärger über Korruption, hohe Steuern, schlechte Zustände in Schulen und Krankenhäusern sowie dem öffentlichen Verkehr Luft macht. Es werde einen nationalen Plan für den öffentlichen Nahverkehr geben, sagte Rousseff. Die Präsidentin appellierte zudem an ihre Landsleute, großzügige Gastgeber für Fußballfans aus aller Welt zu sein. Die linksgerichtete Staatschefin, die wegen ihres Kampfes gegen die Militärdiktatur in den 1960er-Jahren eingesperrt war, versicherte, die hohen Kosten für den Bau von Arenen würden sich für die Bevölkerung bezahlt machen. Rousseff verwies in ihrer Rede auch auf Pläne, künftige Öleinnahmen ins Bildungswesen zu stecken oder ausländische Ärzte ins Land zu holen. Mit ähnlichen Vorhaben war sie aber bereits im Kongress auf Widerstand gestoßen.

Die Proteste werden vor allem von Studenten und Angehörigen der Mittelschicht getragen. Wegen der vielschichtigen Forderungen der meist jungen Demonstranten dürfte es der Regierung schwerfallen, dem Protest den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Bewegung verfügt zudem über keine ausgewiesenen Anführer. Gleichwohl ist es die größte Demonstrationswelle in Brasilien seit Jahrzehnten.