Istanbul. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat am Wochenende erneut den Istanbuler Taksim-Platz gewaltsam räumen lassen. Dort waren Tausende Demonstranten zusammengekommen, um der vier Toten der regierungskritischen Proteste zu gedenken. Etwa zwei Stunden lang skandierten sie Parolen gegen Erdogan und forderten dessen Rücktritt. Als sie der Aufforderungen der Polizei, den Platz zu verlassen, nicht folgten, drängten die Beamten sie mit Wasserwerfern zurück und riegelten das Areal ab. Vereinzelt setzte die Polizei auch Tränengas sowie Gummigeschosse und Schlagstöcke ein. Auch in der Hauptstadt Ankara lösten Beamte unter Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern zwei Versammlungen von Hunderten Protestierenden auf.

Aus Sicht von Ministerpräsident Erdogan steckt eine vom Ausland geführte Verschwörung hinter den Protesten. Auch in Brasilien seien ähnliche Mechanismen am Werk, sagte er bei einer Rede vor Zehntausenden Anhängern in Samsun im Norden der Türkei: „Diejenigen, die in der Türkei gescheitert sind, geben jetzt ihr Bestes in Brasilien. Sie (die Proteste) werden vom gleichen Zentrum aus gesteuert.“ Der Ministerpräsident reiste durch das Land, um seine Anhänger zu mobilisieren. Erdogan wies die Kritik der Demonstranten an seinem als autoritär empfundenen Regierungsstil zurück. Bester Beweis für seine Popularität sei das Ergebnis der Wahl von 2011, die ihm ein drittes Regierungsmandat und seiner Partei 50 Prozent der Stimmen eingebracht habe, sagte er.

In der vergangenen Woche war die Polizei mit Wasserwerfern, Tränengas und Gummigeschossen gegen Demonstranten vorgegangen, um den von Aktivisten besetzten Gezi-Park am Taksim-Platz zu räumen. Erdogan war für das harte Vorgehen der Polizei international scharf kritisiert worden. Er hatte bereits vor seiner Erklärung über ein angebliches Komplott gegen die Türkei und Brasilien mehrfach behauptet, dass die Proteste von ausländischen Kräften organisiert seien, um seine Regierung zu schwächen. Unter ihnen befänden sich auch Banker und Medienanstalten, die der Türkei schaden wollten.