Ein stummer Protest sorgt für Aufsehen in Istanbul: Hunderte scharen sich auf Taksim-Platz um einen einzelnen Demonstranten, der trotz des verhängten Versammlungsverbots den Protest gegen die türkische Regierung fortsetzt.

Istanbul. Bewegungslos steht er auf dem Istanbuler Taksim-Platz, die Hände in den Taschen, die Augen unverwandt auf ein riesiges Porträt des türkischen Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk an der Fassade des früheren Kulturpalastes gerichtet. Hinter dem Mann haben sich in einigem Abstand Hunderte Menschen versammelt. Sie beobachten den einsamen Demonstranten und die Polizei, die auf dem Taksim-Platz nach der Räumung des angrenzenden Gezi-Parks am Wochenende jeden Protest verboten hat.

Erdem Gündüz heißt der Mann, der sich am Montagabend auf dem Platz im Zentrum Istanbuls postierte. Die eigenwillige Protestaktion des Istanbuler Choreographen machte im Internet rasch die Runde. Duranadam, der bewegungslose Mann, heißt er auf dem Kurzmitteilungsdienst Twitter. Gündüz will mit seiner Aktion trotz des verhängten Versammlungsverbots den Protest gegen die Regierung fortsetzen. Einen Monat will er auf dem Platz ausharren, nur gelegentlich abgelöst durch seine Freunde.

Nach der gewaltsamen Räumung des Gezi-Parks befürchten Regierungsgegner nun eine Hexenjagd auf Oppositionelle. Beamte der türkischen Antiterror-Polizei nahmen am Dienstagmorgen 85 Menschen fest. Die Regierung forderte zudem bei Krankenhäusern die persönlichen Daten von verletzten Demonstranten an. Die Regierung argumentiert, die Proteste seien keine spontanen Aktionen gewesen, sondern wohl organisierte, zum Teil aus dem Ausland gesteuerte Demonstrationen. Dies müsse entsprechend geahndet werden. Unter den Demonstranten befanden sich demnach Mitglieder extremistischer Gruppen. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sprach von „Verrätern im Inland und Kollaborateuren im Ausland“, die hinter den Unruhen steckten.