Thomas Straubhaar, 56, Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts, forschte 2010 zur „Zukunft der Türkei“: Menschenrechte werden verletzt, die Meinungsfreiheit wird nicht respektiert, die Rechtsstaatlichkeit wird mit Polizeigewalt getreten. Das alles spricht nicht für die Europatauglichkeit der Türkei. Deshalb die verständliche Forderung, die EU-Beitrittsverhandlungen abzubrechen. Schlägt Europa der Türkei jedoch die Türe zu, schadet es den Reformkräften, die in ihrer Rebellion gegen den islamisch konservativen Übervater Erdogan alleine gelassen würden. In wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und (geo-)politischer Hinsicht bildet die Türkei die Brücke zwischen Europa und Asien, zwischen Christentum und Islam. Das macht sie für den Westen zu einem so wichtigen Partner. Sind die türkischen Reformer erfolgreich, können sie für andere Länder des Mittleren Ostens zu dem Vorbild für eine islamische Marktwirtschaft werden. Mit einer europäischen Perspektive kann der Türkei die Modernisierung eher gelingen als ohne. Scheitert hingegen der türkische Sommer, wird auch der arabische Frühling scheitern.