Das Land ist Schlachtfeld geworden für unüberschaubar viele Akteure. Wie geht es weiter? Wer schaltet sich ein und warum? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Berlin. Briten und Franzosen haben gegen massiven Widerstand in der EU durchgesetzt, dass sie bald Waffen an Aufständische in Syrien liefern dürfen. Russland bekräftigt indes seinen Plan, der Assad-Regierung hochmoderne Raketen zu verkaufen. Die Erfolgsaussichten für die geplante Friedenskonferenz in Genf scheinen sich einzutrüben. Wie geht es weiter? Wer schaltet sich ein und warum? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Werden Großbritannien und Frankreich jetzt Waffen liefern?

Nachdem die EU sich nicht auf eine Verlängerung des bestehenden Sanktionspakets gegen Syrien einigen konnte, wird der Umgang mit den Rebellen ab Freitag um Mitternacht nun zu einer nationalen Entscheidung. Damit können Großbritannien und Frankreich nun zumindest theoretisch die Opposition aufrüsten. Allerdings haben sich die EU-Außenminister in Brüssel in einer gemeinsamen Erklärung darauf verständigt, dass dies „vorerst“ nicht geschehen soll. Die Europäer wollen bis zum 1. August von Waffenlieferungen an die Rebellen absehen, um mögliche Ergebnisse einer Friedenskonferenz in Genf nicht zu gefährden. Briten und Franzosen ließen in Brüssel keinen Zweifel daran, dass sie ihr weiteres Vorgehen von Assads Verhandlungsbereitschaft abhängig machen. Mögliche Waffenlieferungen an die Rebellen verleihen ihren Drohungen neues Gewicht.

Warum einigt sich die EU nicht auf eine gemeinsame Haltung?

„Die Positionen der einzelnen EU-Staaten in Bezug auf den Umgang mit den Rebellen waren einfach nicht zu überbrücken“, sagte ein sichtlich verärgerter österreichischer Außenminister Michael Spindelegger, nachdem er in Brüssel die Verhandlungen über das gesamte Sanktionspaket bereits für gescheitert erklärt hatte. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und sein niederländischer Amtskollege Frans Timmermans konnten in letzter Minute verhindern, dass damit auch das Waffenembargo und die Wirtschaftssanktionen gegen Assad fallen. Eine gemeinsame Haltung gegenüber den Rebellen aber konnten auch sie nicht vermitteln, zu unversöhnlich standen sich Gegner und Befürworter einer Bewaffnung gegenüber. Die Österreicher fürchten, ein solcher Schritt könnte den blutigen Konflikt noch weiter anheizen und die eigenen, auf den Golanhöhen stationierten Soldaten gefährden, die dort den brüchigen Frieden zwischen Libanon und Israel sichern. Die Briten und Franzosen beharrten auf eine Lockerung des Embargos zugunsten der Opposition. Das bestehende Regime hätte nur einstimmig verlängert werden können. Indem sie ihre Zustimmung verweigerten, bekamen London und Paris am Ende die Möglichkeit zum Alleingang.

Wer beliefert die Rebellen mit Kämpfern und Waffen?

Jede syrische Rebellenbrigade hat ein eigenes System an Sponsoren und Lieferanten aufgebaut. Das Emirat Katar hat bereits bis zu drei Milliarden Euro an Rebellengruppen gezahlt und ist wichtigster Unterstützer der Muslimbruderschaft und anderer Islamistengruppen. Saudi-Arabien hält sich an eher moderate Rebellenkräfte. Die Waffen werden oft unter dem Schutz des türkischen Militärs nach Syrien geschmuggelt. Auch wohlhabende Geschäftsleute, meist aus den Golfländern, finanzieren einzelne Brigaden. Al-Nusra, der al-Qaida-Ableger aus dem Irak, und andere radikale Islamisten erhalten Millionen. Rund 3000 Dschihadisten aus 29 Ländern sollen in Syrien kämpfen.

Wer beliefert Assad?

Der Iran ist der wichtigste Waffenlieferant des Regimes. Täglich landen Tarnsportflugzeuge in den regierungstreuen Gebieten. Die iranischen Maschinen fliegen durch irakischen Luftraum – und Bagdad drückt beide Augen zu. Hohe Offiziere der Revolutionären Garden aus dem Iran haben eine neue Militärstrategie für das syrische Regime entworfen. Dazu zählt die Bewaffnung und Ausbildung einer 50.000 Mann starken Miliz. Hinzu kommen im Irak rekrutierte schiitische Freiwilligenbrigaden, die schiitische Wallfahrtsorte in Syrien bewachen und auch an die Front gehen. Hisbollah aus dem Libanon soll bis zu 2000 Kämpfer der syrischen Armee zur Seite gestellt haben. Russland hält syrische Kampfflugzeuge sowie Helikopter instand und liefert Ersatzteile. Russische Offiziere beraten Assads Militär.

Wird dieser Konflikt zu einem ethnisch-religiösen Krieg?

Es wird oft behauptet, dass der syrische Bürgerkrieg längst zu einer Auseinandersetzung entlang der ethnischen Grenze zwischen schiitischen Muslimen einerseits und sunnitischen Muslimen andererseits geworden sei. Doch das ist nur zum Teil richtig. Weder die oppositionellen Kräfte noch die Assad-treuen Gruppierungen sind homogene Lager. In den Reihen der Opposition finden sich radikale Islamisten ebenso wie überzeugte Freiheitskämpfer, Menschenrechtler oder Intellektuelle. Aufseiten des Assad-Regimes kämpfen in der Mehrzahl schiitische Alawiten. Diese Konfession macht etwa zwölf Prozent der syrischen Bevölkerung aus. Sie sind auf Gedeih und Verderb mit Assad verbunden und kämpfen mit dem Rücken zur Wand. Assad wird außerdem von schiitischen Kampfverbänden aus dem Iran und von der schiitischen Miliz Hisbollah aus dem Libanon unterstützt. Angehörige anderer Minderheiten finden sich auch im Assad-treuen Lager: Christen ebenso wie Kurden, denen Assad von Glaubensfreiheit bis Teilautonomie alles versprochen hat.

Könnte sich der Konflikt ausbreiten?

Ja, mindestens auf die Länder, die wie der Libanon viele Flüchtlinge aufgenommen haben, etwa Jordanien, die Türkei und der Irak. Auf diese vier Länder verteilen sich die bislang 1,5 Millionen syrischen Flüchtlinge. Das stellt die Aufnahmestaaten vor große infrastrukturelle aber auch gesellschaftliche Probleme. Die Golfstaaten Katar und Saudi-Arabien sind durch ihre mehr oder weniger offenen Waffen- und Hilfslieferungen bereits in den Konflikt involviert. Im Libanon tobt ein Stellvertreterkrieg zwischen schiitischen, Damaskus-treuen Milizen und sunnitischen Verbänden, der nach dem Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 zwar befriedet schien, aber tatsächlich nie aufgehört hatte zu schwelen. Letztlich könnte auch Israel jederzeit in den Konflikt hineingezogen werden, wenn es etwa von Syrien aus mit Raketen beschossen würde oder die im Land befindlichen chemischen Waffen drohen, in radikalislamische Hände zu geraten. Israel würde dann wohl nicht zögern, einen Präventivschlag zu unternehmen.