Frankreichs Präsident sucht Wege aus der Rezession und versucht mit einer Pressekonferenz, aus dem Umfragetief zu kommen. Doch Hollande sitzt zwischen den Stühlen Deutschland und Europa.

Paris. Es geht nichts über eine ordentliche Präsidentenpressekonferenz im Élysée-Palast. Je nach persönlicher Laune und politischer Lage können sie einberufen werden, die Erwartungshaltung ist stets gleich hoch, und das Resultat meist gleichbleibend gering. François Hollande hat seinem Volk vor einem Jahr im Wahlkampf versprochen, dass er sich dieser Übung regelmäßiger hinzugeben bereit sei als Nicolas Sarkozy, der Pressekonferenzen am Anfang seiner Amtszeit nur einberief, wenn es Wichtiges zu verkünden gab – „Das mit Carla, das haben Sie bemerkt, ist etwas Ernstes“, Januar 2008 – und am Ende immer häufiger, je tiefer die Umfragewerte fielen.

Bei Hollande sind die Umfragewege gleich zu Beginn seiner Amtszeit in den Keller gefallen, und dort halten sie sich seither. Die Beliebtheitsquote liegt seit einigen Wochen stabil um die 25 Prozent, die Arbeitslosenzahl hat den bisherigen Rekordwert von drei Millionen überschritten, die Europäische Kommission musste einen zweijährigen Aufschub gewähren, damit Frankreich seine Haushaltsziele bis 2015 erfüllen kann – seit Anfang der Woche ist das Land offiziell in der Rezession, denn die Wirtschaftsleistung ist im zweiten Quartal nacheinander geschrumpft (diesmal um 0,2 Prozent), und daran wird sich so schnell nichts ändern.

Nach einem Treffen mit der Europäischen Kommission am Mittwoch in Brüssel räumte Hollande ein, dass das Wachstum in Frankreich in diesem Jahr wahrscheinlich bei Null liegen werde. Das aber bedeutet, dass Hollande sein wichtigstes Versprechen – den Trend auf dem Arbeitsmarkt bis Ende 2013 umzukehren – nicht wird einhalten können. Denn damit Betriebe in Frankreich Arbeitsplätze schaffen, braucht es ein Wachstum von mindestens 1,5 Prozent. Außerdem sank die Kaufkraft der Franzosen 2012 um 0,9 Prozent. Gründe genug gab es daher für François Hollande, den Franzosen seine Politik zu erklären, als er am Donnerstagnachmittag zum bislang zweiten Mal in seiner Amtszeit im Élysée-Palast vor die Presse trat.

„Europa aus der Lethargie holen“

Dort hat er erneut eindringlich für einen verstärkten Wachstumskurs in Europa geworben. Die „Herausforderung“ für Europa sei nicht mehr die Finanzkrise, sondern „die Rezession“, die durch den Sparkurs ausgelöst worden sei. Auch die EU-Kommission habe begonnen zu verstehen, dass hier die „Risiken und Bedrohungen“ für Europa lägen. Der Rhythmus der Konsolidierung der Staatshaushalte müsse an die Rezession angepasst werden. Dies bedeute für seine sozialistische Regierung keinen „Rückzug“ von der Haushaltskonsolidierung, sondern ein „Sprungbrett“. Hollande hob hervor: „Die Herausforderung ist das Wachstum. Es ist der Weg aus der Rezession.“ Die Rezession bedrohe sogar die Identität Europas.

Hollande kündigte zudem eine französische Initiative an, um „Europa aus seiner Lethargie zu holen“. Er gab eine Zeitspanne von zwei Jahren vor, „um die Umrisse einer politischen Union“ zu schaffen. „Wenn Europa nicht vorankommt, stürzt es ab oder es radiert sich vielmehr von der Weltkarte aus“, mahnte er und hob hervor, dass Deutschland mehrfach seine Bereitschaft für eine politische Union in Europa deutlich gemacht habe. Ausdrücklich hob der Staatschef auch die Bedeutung der deutsch-französischen Zusammenarbeit für Europa hervor. Er sprach vom „unverzichtbaren deutsch-französischen Paar, ohne das Europa nicht vorankommen kann“. Frankreich spielt nach seinen Worten die „Rolle eines Bindeglieds zwischen dem Norden und dem Süden“ in Europa.

Hollandes Problem ist allerdings, dass er auf absehbare Zeit gezwungen sein wird, ein doppeltes Spiel zu spielen: Er muss seinen europäischen Partnern vormachen, dass er seinen Haushalt in Ordnung bringt, und er muss seiner eigenen Basis den Eindruck vermitteln, dass er dem „neoliberalen Diktat“ der germanischen Domina etwas entgegensetzt. Sein Rezept war daher bislang, eine Mischung aus symbolpolitischen Maßnahmen zur Beruhigung der eigenen Klientel und einiger abgefederter Reformen, in der Hoffnung darauf, dass sich der Aufschwung möglichst rasch von selbst einstellen würde, dass härtere Maßnahmen nicht notwendig seien.

Ob er diese Strategie durchhalten kann, erscheint jedoch zweifelhaft. Eines seiner Probleme ist, dass er von den Linken bereits jetzt dafür attackiert wird, eine „Austeritätspolitik“ zu betreiben – obwohl seine Regierung mit Ausgabenkürzungen noch gar nicht ernsthaft begonnen hat. Bei einer Staatsquote von 56 Prozent an der Wirtschaftsleistung und einer Schuldenquote von mehr als 90 Prozent des BIP wird Hollande jedoch nicht mehr allzu lange warten können, bis er mit dem Sparen beginnt. Zehn Milliarden jährlich sollten eigentlich im Staatshaushalt gekürzt werden. Davon ist bislang noch nichts zu sehen. Tastende Vorgespräche mit den Sozialpartnern hat Premierminister Jean-Marc Ayrault immerhin Anfang der Woche im Hinblick auf eine unumgängliche Rentenreform geführt. Wie man hört, wollen die Sozialisten das Rentenalter mittelfristig auf 65 anheben. Das dürfte kaum ohne Massenproteste abgehen.