Zwei Luftattacken in zwei Tagen auf Waffenlager und Nachschublinien zur Hisbollah. Iran wollte Raketen liefern

Jerusalem. Israel scheint sich immer intensiver in den syrischen Bürgerkrieg einzuschalten. Auch ein zweiter Luftangriff israelischer Kampfflugzeuge innerhalb 48 Stunden auf Ziele in der Umgebung von Damaskus wurde am Sonntag in Israel und Syrien bestätigt. Getroffen wurden demnach ein iranischer Raketentransport an die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah, aber auch Waffenlager der Hisbollah in Syrien. Es ist bereits der dritte Luftangriff dieser Art seit Jahresbeginn.

Diese umfangreichsten militärischen Aktionen Israels in Syrien seit dem Jom-Kippur-Krieg von 1973 finden in einer sich zuspitzenden Lage statt. Weltweit verstärkt sich der Ruf nach internationaler Einmischung in die syrischen Kämpfe. Syrien und Iran beschuldigten Israel, offen „die islamistischen Terroristen“ in den Reihen der Opposition zu unterstützen. Israelische Sprecher betonten, die Angriffe auf Ziele in und bei Damaskus dienten einzig und allein dazu, eine direkte Bedrohung Israels durch die Aufrüstung der Hisbollah mit chemischen Waffen und Raketen mit größerer Reichweite zu verhindern. Auch israelische Quellen bestätigten inoffiziell den in Syrien gemeldeten Angriff auf ein „wissenschaftliches Forschungszentrum der syrischen Armee“ in Dschamraya bei Damaskus. Genau hier setzten israelische Kampfflugzeuge schon am 30. Januar 2013 einen Raketentransport an die Hisbollah außer Gefecht. In dem Zentrum werden nach westlicher Einschätzung Gas- und Giftsprengköpfe hergestellt.

In der Nacht zum Freitag wurde auf dem Flughafen von Damaskus auch eine dort parkende iranische Zivilmaschine getroffen. Laut Angaben der syrischen Opposition hatte sie treffgenaue Fatach-110-Raketen an Bord. Zusätzlich wurden Waffenlager, Kraftstoffdepots und militärische Landebahnen zerstört. Treffer, die von der syrischen Regierung bestätigt, jedoch auf Artilleriebeschuss zurückgeführt wurden. Was Experten bezweifeln. Die Ziele hätten zu weit auseinandergelegen, die Treffer seien zu genau gewesen. Augenzeugen berichteten auch von Überschallknalls über Damaskus.

In Syrien hielten die Medien eine offizielle Kriegserklärung gegen Israel für möglich. Ein Regierungssprecher wertete die Angriffe jedenfalls als israelische Kriegserklärung. „Wir behalten uns das Recht auf Gegenschlag vor. Zu einem Zeitpunkt, den wir bestimmen können.“ Beim jetzigen Zustand der syrischen Armee ist ein offener Krieg mit Israel mehr als unrealistisch. Israel verlegte aber zwei Luftabwehrstellungen vom Typ Iron Dome in den Landesnorden. Syrische Vergeltungsschläge gegen Israel könnten eine offene westliche Unterstützung der oppositionellen syrischen Kräfte einleiten. Ein Schritt, den die US-Regierung bislang vermied.

Israels Angriffe wandten sich bislang gegen Ziele auf syrischem Boden, trafen aber Einrichtungen mit klaren Verbindungen zum Iran. In den Depots am Flughafen lagerten aus dem Iran gelieferte Raketensysteme oder mit iranischer Hilfe in Syrien weiterentwickelte Versionen der russischen Scud. In Händen der Hisbollah hätten sie fast ganz Israel bedroht. „Der Abschreckungsvorsprung Israels würde so dramatisch vermindert“, erklärte der Ex-Geheimdienstchef Schabetai Schawit im Radiosender Kol Israel. Teheran versuche, mit diesen Lieferungen die Folgen eines drohenden Sturzes ihres Verbündeten Baschar al-Assad abzuschwächen, so Schawit. Der Raketenexperte Usi Rubin: „Sollte sein Regime wider Erwarten in Syrien, zumindest aber im alawitischen Nordwesten bestehen bleiben, hätte er dann weiter Zugriff auf die Raketenbestände seiner Verbündeten.“

Die syrische wie die iranische Regierung betonen, dass die Angriffe von Israel ausgingen. „Damit tritt Israel offen für die terroristischen Kräfte ein, die gegen Syrien kämpfen“, hieß es in einer offiziellen Stellungnahme am Sonntag in Teheran. Auch die syrischen Staatsmedien beschuldigen die Opposition der Kollaboration mit Israel. Über 300 verletzte Soldaten wurden laut Staatsfernsehen nach dem Angriff in Krankenhäuser eingeliefert.

Noch sieht niemand in Israel die bisherigen Angriffe in Syrien als Unterstützung der syrischen Opposition. Doch schloss die israelische Zeitung „Haaretz“ einen Kurswechsel nicht aus: „Es ist durchaus möglich, dass Israel seine Einsätze im syrischen Luftraum so ausweitet, dass sie zu einem Schutzschirm für die Aufständischen werden können.“ Israelische Medien halten es auch für möglich, dass dies nicht nur als unvermeidliche Folge, sondern durchaus auf US-Initiative hin geschehen könnte. „Eine Lösung, die den USA wie den arabischen Nachbarn und der Türkei passend käme, die nicht bereit sind, ohne internationale Rückendeckung in Syrien einzugreifen.“ Eine Entwicklung, die auch in Israel so umstritten ist wie in den Nato-Staaten. Für Israel könnte sich die unklare Ausrichtung der Opposition mit ihren islamistischen Helfern langfristig zu einer noch größeren Gefahr auswachsen als der berechenbare Assad. Israelische Einmischung würde auch der Hisbollah und Teheran einen Vorwand für ihre weitere Unterstützung des Assad-Regimes liefern. Ein Dank der oppositionellen Kräfte in Syrien für israelische Hilfe wäre dagegen äußerst ungewiss.