Ein Gericht in Nordkorea verurteilt einen Amerikaner zu 15 Jahren Zwangsarbeit. Will Pjönjang so direkte Verhandlungen mit Washington erzwingen?

Hamburg. Hunger, Willkür und Folter bestimmen nach Berichten von Flüchtlingen aus Nordkorea der Alltag in den Arbeitslagern des kommunistischen Regimes in Nordkorea. Nach Schätzungen der Menschenrechtsorganisation Amnesty International werden derzeit 200.000 Menschen unter fürchterlichen Bedingungen in den Lagern festgehalten. Schon geringste Delikte oder politische Unzuverlässigkeit genügen, um ganze Familien in einem der Straflager verschwinden zu lassen. Ein Amerikaner koreanischer Abstammung soll nun dazukommen.

Inmitten der schweren Spannungen um Nordkoreas Atomprogramm hat das oberste Gericht des Landes den US-Bürger Pae Jun-ho wegen angeblicher Umsturzversuche zu 15 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Der vor sechs Monaten in Nordkorea festgenommene Pae, der in den USA Kenneth Bae genannt wird, wurde „feindseliger Handlungen gegen die Volksrepublik“ schuldig gesprochen, wie die Staatsmedien berichteten. Er habe die ihm zur Last gelegten Taten in den niedrigeren Instanzen bereits gestanden.

Der Fall Pae belastet zusätzlich die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen beiden Ländern. Beobachter schlossen nicht aus, dass Pjöngjang den Amerikaner eventuell als Verhandlungskarte nutzen und den Besuch eines US-Gesandten erzwingen könnte. In den vergangenen Jahren hatte es wiederholt Festnahmen von US-Bürgern in dem weithin abgeschotteten Land gegeben. Sie wurden nach Vermittlungen durch hochrangige amerikanische Gesandte wieder freigelassen.

Pjöngjang wolle nun mit der Verurteilung Baes einen weiteren Besuch eines prominenten US-Bürgers in Nordkorea erzwingen, meinte auch der Experte Ahn Chan-il, Chef des in Südkorea ansässigen Weltinstituts für Nordkoreastudien. „Ein Besuch eines hohen Tiers aus Amerika in Pjöngjang würde auch das Führungsprofil Kim Jong-uns aufpolieren“, sagte Ahn.

Der erst seit eineinhalb Jahren herrschende Junior-Diktator aus der Kim-Dynastie muss seine Macht gegenüber dem Militär und dem alten Funktionärsapparat noch festigen. Und er ist wie sein Großvater Kim Il-sung und sein Vater Kim-Jong-il bestrebt, direkte Verhandlungen mit den USA aufzunehmen. Auch fast 60 Jahre nach dem Ende des Korea-Krieges gibt es noch keinen Friedensvertrag.

Was dem Amerikaner Pae im Detail zur Last gelegt wird, blieb unklar. Südkoreanische Medien hatten berichtet, er arbeite als Reiseleiter. Bei seiner Einreise mit einer Gruppe europäischer Touristen im vergangenen November in Rason im nördlichen Teil Nordkoreas sei er festgenommen worden. Bei der Gruppe sei eine Computer-Festplatte gefunden worden. Auch wurde berichtet, Pae habe bettelnde Kinder im verarmten Nordkorea gefilmt. Zwei Drittel der Nordkoreaner müssen sich nach Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen täglich darum sorgen, dass sie nicht genug zu essen haben. Lebensmittel sind rationiert. Seit dem Machtantritt Kim Jong-uns hat sich die Kluft zwischen denjenigen, die etwas besitzen, und denjenigen, die gar nichts haben, weiter vergrößert.

Außerhalb der Hauptstadt Pjöngjang ist die Stromversorgung unregelmäßig, es sind kaum Privatautos auf den meist unbefestigten Straßen zu sehen. Weil Benzin knapp ist, werden Militärfahrzeuge oft mit Holzgas betrieben. Kindern fehlt es an Schuhen und Oberbekleidung, aus vielen Gesichtern spricht der Hunger. Doch ob auf dem Land oder in der Hauptstadt: Kritik am herrschenden System ist überall tabu. Kaum jemand hat Zugang zum Internet oder die Möglichkeit, ins Ausland zu telefonieren. Kontakte mit Ausländern müssen genehmigt werden.

Der frühere US-Präsident Jimmy Carter hat reichlich Erfahrung als Vermitter

Der frühere US-Präsident Jimmy Carter wird nun im Fall Kenneth Pae als möglicher Vermittler genannt. Er hat darin Erfahrung. Anfang 2010 war ein in Südkorea beschäftigter Lehrer aus Boston wegen illegalen Grenzübertritts in Nordkorea zu acht Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden. Carter reiste damals privat nach Pjöngjang und erreichte die Freilassung seines Landsmanns. Zuletzt war der Friedensnobelpreisträger im April 2011 zusammen mit dem früheren finnischen Präsidenten Martti Ahtisaari, der ehemaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Brundtland und der irischen Ex-Präsidentin Mary Robinson nach Nordkorea gereist, um zwischen den koreanischen Teilstaaten zu vermitteln. Die Spannungen hatten sich nach der Versenkung eines südkoreanischen Kriegsschiffs und dem Beschuss einer südkoreanischen Insel durch Nordkorea verschärft. Schon im Juni 1994 war Carter in Pjöngjang gewesen, um im Konflikt um das nordkoreanische Atomprogramm zu vermitteln.

Der Streit um Nordkoreas Atomprogramm hatte sich auch jetzt wieder zugespitzt. Angesichts der Ausweitung von Uno-Sanktionen wegen seines dritten Atomtests im Februar hatte Pjöngjang den USA mit einem Atomschlag gedroht und den „Kriegszustand“ mit Südkorea ausgerufen. Das US-Korea-Institut an der Johns-Hopkins-Universität vermutet, dass der nordkoreanische „experimentelle Leichtwasserreaktor“ (ELWR) in Yongbyon kurz vor der Fertigstellung steht. Satellitenbilder hätten gezeigt, dass die letzten Außenarbeiten an dem Reaktor ausgeführt werden, hieß es auf der Website „38 North“ des Instituts. Zwar scheine es, dass der Reaktor in erster Linie der Stromerzeugung dienen solle. Doch sei auch die Produktion von Plutonium zum Bau von Atomwaffen möglich. Falls Nordkorea über den nötigen Kernbrennstoff verfüge, könnte die Startphase bereits in den nächsten Wochen beginnen. In der Atom-Anlage in Yongbyon könnte Nordkorea bereits ausreichend niedrig angereichertes Material produziert haben, um den Reaktor mehrere Jahre zu betreiben.

Ein großer Dorn im Auge waren Nordkorea auch die alljährlichen gemeinsamen Militärübungen der USA und Südkoreas, die am Dienstag zu Ende gingen. Als Reaktion auf die Militärübungen hatte Nordkorea Anfang April die Arbeiten in der gemeinsam mit Südkorea betriebenen Sonderwirtschaftszone Kaesong ausgesetzt. Seoul stellt seit Donnerstag den aus Kaesong ausgewiesenen Firmen Notfallkredite über 270 Millionen Dollar zur Verfügung. In der grenznahen Sonderwirtschaftszone auf nordkoreanischem Gebiet hatten sich seit dem Jahr 2004 mehr als 120 südkoreanische Firmen angesiedelt. Für sie arbeiteten auch mehr als 50.000 Nordkoreaner.