Zur Inthronisierung von Willem-Alexander und Máxima am Dienstag werden in Amsterdam 800.000 Besucher erwartet. Er wird eine Majestät mit noch weniger Macht als seine Mutter sein.

Amsterdam. Derzeit liegen in den Auslagen der Sexshops im Amsterdam sogar orangefarbene Kondome. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass das Fieber ausgebrochen ist bei unseren niederländischen Nachbarn. Die Stadt bereitet sich auf den Ausnahmezustand vor. Für den Thronwechsel am Dienstag werden mehr als 800.000 Besucher und 5000 Vertreter europäischer Fürstenhäuser erwartet. Dafür hat sich Amsterdam herausgeputzt: Die Straßen sind gefegt, die Vitrinen und die Fenster auf Hochglanz gebracht und mit orangefarbenen Wimpeln geschmückt. Die Stadtreinigung hat sogar vor nationalen Kulturgütern nicht haltgemacht: 600 Fahrräder, die an Brücken und Laternen angekettet waren, sind entfernt worden.

Drei Monate lang wurde dieser ganz besondere Tag akribisch geplant, an dem Königin Beatrix der Niederlande abdanken wird, um das Zepter an ihren erstgeborenen Sohn Willem-Alexander zu übergeben. Das offizielle Programm beginnt um 10 Uhr morgens, wenn die Monarchin im Königlichen Palast die Abdankungsurkunde unterschreibt. Ganz automatisch wird der bisherige Kronprinz damit zu ihrem Nachfolger und neuem Staatsoberhaupt der Niederlande.

Nach 123 Jahren besteigt mit Willem-Alexander erstmals wieder ein Mann den holländischen Thron. Dieser Schritt bedeutet auch in anderer Hinsicht eine Premiere: Der 46-Jährige ist der Erste aus der Generation der europäischen Kronprinzen, der das Zepter übernimmt. Um 10.30 Uhr präsentiert sich Willem-Alexander am Dienstag mit seiner Mutter, die dann wieder Prinzessin Beatrix ist, dem Volk. Vom Balkon des königlichen Palastes aus wird er sich mit seiner ersten Rede als König an die Niederländer wenden.

In seinem letzten Interview als Prinz hatte er gestanden, dass er zwar nervös sei vor dem großen Tag, aber auch gut vorbereitet auf ihn. „Es ist eine sehr schöne Rede geworden, an der ich und einige andere sehr hart gearbeitet haben. Sie ist der Beginn einer neuen Regentschaft“, sagte Willem-Alexander.

An seiner Seite auf dem Balkon des Palastes wird seine Frau Máxima stehen. Die gebürtige Argentinierin gilt als perfekte Ergänzung für den stets fröhlichen, aber manchmal auch etwas tollpatschigen Willem-Alexander. Heute ist die 41-Jährige mit Abstand das beliebteste Mitglied der Königsfamilie, dabei musste Máxima anfangs um Anerkennung kämpfen. Als die Beziehung zu Willem-Alexander 2001 bekannt wurde, störte sich im protestantischen Holland zwar kaum jemand daran, dass Máxima katholisch und eine Bürgerliche war.

Einen Schatten auf die Verbindung mit dem Kronprinzen warf vielmehr ihre Familiengeschichte. Ihr Vater Jorge Zorreguita hatte zwischen 1976 und 1983 der argentinischen Militärjunta als Staatssekretär gedient. Das Regime unter Videla ist für den Tod und das Verschwinden unzähliger Argentinier verantwortlich. Máximas Vater ist deshalb beim Thronwechsel in Amsterdam nicht willkommen. „Er hat mit den besten Absichten das Falsche getan“, kommentiert Máxima die Vorgänge, die schon bei ihrer Hochzeit mit Willem-Alexander dazu führten, dass ihre argentinische Familie nicht unter den Gästen war.

Auch am Dienstag wird Máxima auf ihre Eltern verzichten, dafür aber werden ihre drei Töchter mit ihr vom Balkon strahlen. Amalia, 9, Alexia, 7, und Ariane, 5, wissen genau, was sie an diesem besonderen Tag zu tun haben. Die königliche Familie hat nichts dem Zufall überlassen und den Thronwechsel vorher minutiös geübt. „Eine echte Generalprobe, bei der hoffentlich alles schiefgeht, was schiefgehen kann“, hatte Willem-Alexander im Interview gesagt und dabei gelacht.

Bei der Amtseinführung sind auch 500 Bürger aus dem Volk dabei

Zum eigentlichen Staatsakt kommt es in der Nieuwe Kerk, einer rund 600 Jahre alten Kirche im Zentrum Amsterdams. Dort wird Willem-Alexander um 14 Uhr in sein Amt eingeführt. Wenn er ganz offiziell im Hermelinmantel den Eid auf die Verfassung ablegt, dann sprechen die Niederländer von einer Huldigung. Den Vorgang als Krönung zu bezeichnen, wäre falsch, denn: Die Krone und das Zepter liegen zwar als Insignien der Macht auf einem beistehenden Tisch, Willem-Alexander wird diese aber nicht berühren. Schon bei diesem Anlass wird der neue König einen eigenen Akzent setzen. Während bei seiner Mutter Beatrix nur geladene Gäste zugegen waren, sind bei Willem-Alexanders Einführung 500 Bürger aus dem Volk dabei.

Im Anschluss folgt die Party, beim offiziellen Staatsempfang sucht man allerdings vergebens nach weiteren gekrönten Häuptern. Das Protokoll schreibt vor, dass lediglich Kronprinzessinnen und -prinzen eingeladen werden dürfen. Als neues Staatsoberhaupt muss Willem-Alexander zunächst einmal den amtierenden Staatsoberhäuptern anderer Länder in deren Heimat seine Aufwartung machen. Deshalb ist bei der Zeremonie in Amsterdam weder die britische Königin Elisabeth II. noch Joachim Gauck zugegen. Dafür aber kommt der Nachwuchs aller europäischen Fürstenhäuser: Mary und Frederik von Dänemark, Victoria und Daniel von Schweden, Prinz Charles wird mit Camilla aus Großbritannien anreisen.

Bei so viel Prominenz überrascht es nicht, dass umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Der Luftraum über Amsterdam ist bereits jetzt gesperrt, rund 10.000 Polizisten sind im Einsatz. Das zwölf Millionen teure Fest ruft zudem Monarchiegegner auf den Plan, die an sechs ausgewählten Orten im Zentrum protestieren dürfen. Sie haben Kritiker der Veranstaltung dazu aufgerufen, aus Protest weiße Kleidung zu tragen. Die große Mehrheit der feiernden Besucher wird sich hingegen in Orange hüllen, in Anlehnung an den Namen der Königsfamilie.

Amsterdams Bürgermeister Eberhard van der Laan gab sich im Vorfeld zuversichtlich, dass alles friedlich bleiben wird. Bei der Thronbesteigung von Königin Beatrix am 30. April 1980 hatten sich Hausbesetzer mit der Polizei heftige Straßenschlachten geliefert. Die Krawalle drohten sogar Beatrix’ Schwur auf die Verfassung in der Nieuwe Kerk zu übertönen.

Nur das Urteil über das Lied zu Ehren des Monarchen war vernichtend

Vor der Thronbesteigung am Dienstag hat höchstens ein Lied für Verwerfungen gesorgt. Als verbindende Geste hatten die Organisationen der Zeremonie alle Niederländer um die Einsendung ihrer Träume und Wünsche für die Zukunft gebeten. Aus den Versatzstücken schufen ein Komponist und mehrere Texter schließlich ein Königslied, das abends um 19.30 Uhr von allen Niederländern gleichzeitig zu Ehren des neuen Monarchen gesungen werden soll. Das öffentliche Urteil über die Qualität des Werks fiel vernichtend aus: Schwulstig, peinlich, pathetisch gehören dabei noch zu den schmeichelhafteren Attributen. Der künftige König selbst nahm es gelassen und erklärte diplomatisch: „Wer kann schon von sich behaupten, dass ihm zu Ehren Lieder geschrieben werden.“

Willem-Alexander hat bereits angekündigt, dass er ein König sein möchte, der die niederländische Gesellschaft verbindet. „Ich will jene Menschen unterstützen, die meine Hilfe brauchen können“, erklärte er im Interview. Mit einer besonders kontrovers geführten Debatte um die Integration muslimischer Einwanderer hat das an sich liberale Land in der jüngeren Vergangenheit für Aufmerksamkeit gesorgt. 17 Prozent der Bevölkerung haben ausländische Wurzeln, in den Niederlanden leben rund 825.000 Muslime. Rechtspopulistische Politiker wie Geert Wilders fordern regelmäßig eine Verschärfung des Einwanderungsrechts oder etwa Internetpranger für auffällig gewordene Migranten.

Als Staatsoberhaupt begreift Willem-Alexander es als seine Aufgabe, den politischen Kurs der Niederlande mitzubestimmen. Dabei wird es ihm noch schwerer fallen, sich einzubringen als seiner Mutter. Denn im vergangenen Jahr schränkte das Parlament die königlichen Befugnisse weiter ein. Daher spielt Willem-Alexander etwa bei der nächsten Regierungsbildung keine Rolle mehr.

Es ist weithin bekannt, dass ihm die Entwicklung hin zu einer noch stärker zeremoniellen Monarchie nicht sonderlich behagt. Als Kronprinz hatte er einmal gesagt, dass er nicht allein Schiffe taufen und Einweihungsbänder zerschneiden wolle.

Allerdings bringt der neue König auch entscheidende Kompetenzen mit, die ihn zu einem unverzichtbaren Berater des Landes hinter den Nordseedeichen machen. So ist Willem-Alexander Fachmann für Wasserwirtschaft, in dieser Funktion diente er den Vereinten Nationen lange Jahre als Experte. Als sein wichtigster Trumpf aber gilt Máxima. Die strahlende, elegante Frau an seiner Seite bewegt sich mühelos auf internationalem Parket und bescherte dem Königshaus eine gehörige Portion Glamour. Wo die ehemalige Bankerin auftaucht, sind die Kameras, Gesprächspartner loben ihren Witz und Intellekt. Wie fällt man neben einer Frau auf, gegen die man fast blass wirken muss?

Auf die große Beliebtheit seiner Gattin angesprochen, erzählte Willem-Alexander vor einigen Jahren scherzhaft, dass er sich manchmal als „der Mann von Máxima“ vorstelle. Wenn er König ist, wird sie ins zweite Glied weichen müssen. Und das, obwohl ihr das Protokoll sogar den Titel Königin zugesteht. Im letzten Interview der beiden war die neue Rollenverteilung bereits zu bestaunen. Den größten Redeanteil hatte Willem-Alexander, Máxima lächelte ihn meist bewundernd an. Zu ihrer künftigen Funktion befragt, antwortete sie: „Wenn der König einmal verhindert ist, werde ich ihn selbstverständlich vertreten.“ Niemals aber werde sie seinen Platz einnehmen.