Aber Präsident Barack Obama zögert vor einer Militärintervention in Syrien. Britische Medien zeigen Folgen von Giftgas

Brüssel/Tel Aviv. Als ein hochrangiger Mitarbeiter des israelischen Militärgeheimdienstes auf einer Sicherheitskonferenz in Tel Aviv überraschend verkündete, es sei „fast 100 Prozent sicher“, dass das syrische Regime den chemischen Kampfstoff Sarin mehrfach eingesetzt habe, fielen die Reaktionen noch sehr zurückhaltend aus. „Ein Verdacht ist eine Sache, Beweise sind etwas anderes“, sagte Verteidigungsminister Chuck Hagel in Kairo. US-Außenminister John Kerry gab sich in Brüssel nicht weniger skeptisch, und selbst der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte, er könne den Erkenntnisstand seines Geheimdienstes so nicht bestätigen.

Nur zwei Tage später klingt das anders: Die US-Geheimdienste gingen mit „unterschiedlicher Gewissheit“ davon aus, dass das syrische Regime „in kleinem Rahmen“ chemische Kampfstoffe eingesetzt habe, hieß es in einem Schreiben des Weißen Hauses. Wahrscheinlich habe es sich um das Nervengas Sarin gehandelt. Sollte sich in der Zukunft der „Verdacht erhärten“, dass die syrische Regierung Chemiewaffen gegen die Bevölkerung eingesetzt habe, seien „alle Optionen auf dem Tisch“.

Gleich mehrmals hatte Präsident Barack Obama den Einsatz chemischer Kampfstoffe zur roten Linie erklärt, deren Überschreiten Washington nicht dulden werde. Mit dem schwelenden Iran-Konflikt im Hintergrund und angesichts einer von islamistischen Gruppierungen durchsetzten syrischen Opposition ist Washington weder an einer direkten noch indirekten Intervention interessiert. Selbst der republikanische Senator Lindsey Graham gibt zu, dass es „viel schwieriger“ geworden sei, die Rebellen zu bewaffnen. „Wir sind an einen Punkt geraten, wo die Opposition von den Radikalen beeinflusst wird“, sagt Graham. Er ist dafür, die „richtigen Leute“ mit Waffen zu versorgen. Es gebe ein Risiko, aber die Gefahr, dass Chemiewaffen in die Hände von Terroristen fallen könnten, sei ungleich größer.

Es ist nicht einmal mehr sicher, dass die USA im Ernstfall die syrischen Waffenarsenale sichern könnten. Dafür müssten die Amerikaner nach Schätzungen des Pentagons nicht nur mehrere Tausend Soldaten in das Land schicken. Generalstabschef Martin Dempsey gab vor dem Kongress in der vergangenen Woche unumwunden zu, dass die Aufgabe wohl nicht mehr zu bewältigen wäre: Die Waffen seien in zu viele Lager verteilt worden. Und schließlich ist da die Erinnerung an den Irak-Krieg von 2003, der nicht zuletzt mit Geheimdienstinformationen zu Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen begründet wurde, die sich später als falsch herausstellten.

Bisher sind es nur die Briten, die unzweideutig reagieren. „Es handelt sich noch um einzelne Beweise, aber sie nehmen zu. Das ist extrem ernst, das ist ein Kriegsverbrechen“, sagte Premier David Cameron der BBC. „Obama hat recht, wenn er sagt, dass hier die rote Linie überschritten ist.“ Der Konservative sieht als Konsequenz jedoch keine Intervention britischer Truppen.

Für die britischen Medien scheint der Einsatz von Chemiewaffen erwiesen zu sein. Die Online-Ausgabe der „Times“ veröffentlichte ein Video. Es zeigt eine Familie in Aleppo, die offenbar Opfer eines Giftgaseinsatzes geworden ist. Der Angriff auf das Haus des 27-jährigen Jassir Junis sei am 13. April erfolgt und sei möglicherweise ein Anlass für die Aussage Hagels gewesen, Syrien habe Chemiewaffen bereits eingesetzt.