Konkrete Hinweise auf Gefahren für Deutschland liegen den Sicherheitsbehörden aber nicht vor

Hamburg. Bomben wie in Boston oder zuvor in London und Madrid, Giftbriefe oder Anschläge mit Schusswaffen: Die Mittel und Methoden, zu denen Terroristen greifen, sind unterschiedlich. Hauptsache, sie können Angst und Schrecken verbreiten. Genauso vielfältig sind die Motivationen für Attentäter. Sie können linken oder rechten Ideologien folgen oder extreme religiöse Ansichten haben – auch dafür gibt es kein Muster. Sie können straff organisierten oder losen Netzwerken wie der al-Qaida angehören. Oder es können einfach nur Trittbrettfahrer sein.

Die Behörden fürchten vor allen die von extremistischen Ideen inspirierten Einzeltäter. Im Gegensatz zu den klassischen „Schläfern“, zu denen auch die Terrorzelle um Mohammed Atta gerechnet wird, die die Anschläge am 11. September 2001 verübte, sind solche Täter nicht in Netzwerke eingebunden. Sie verfügen in der Regel über deutlich weniger Möglichkeiten. Das erhöht gleichzeitig die Gefahr, dass sie sich sogenannte „weiche Ziele“ wie Volksfeste oder Sportveranstaltung, aber auch innerstädtische Bereiche, an denen sich viele Menschen aufhalten, als Orte für Anschläge auswählen.

Genau diese fanatisierten Einzeltäter fürchtet Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamts (BKA). Gegen Terrorkommandos, die auf Helfer, Logistik und Fahrzeuge angewiesen sind, seien die Behörden gut gewappnet. Bei solchen Gruppierungen entstünden viele Spuren, die als Ermittlungsansätze dienen.

Eine Bombe wie die in Boston gezündeten zu bauen, das sei selbst in Deutschland, wo schon aufgrund der Waffengesetze die Verfügbarkeit von bestimmten Explosivstoffen deutlich geringer ist, nicht unmöglich. „Alle nötigen Zutaten sind auch hier zu bekommen. Das Entdeckungsrisiko ist niedrig“, sagt ein Beamter aus dem Sicherheitsapparat. So sei es ein glücklicher Zufall, dass die Deutschen einen solchen Anschlag wie Boston noch nicht erlebt haben. Aber dafür gibt es keine Garantien. „Es ist nicht die Frage, ob so etwas in Deutschland passieren wird“, so der Beamte: „Es ist die Frage, wann es sein wird.“

Versuche und einen erfolgreichen Anschlag hat es bereits gegeben. 2007 wurden die Sauerlandbomber verhaftet. Die vier jungen Islamisten hatten Attentate auf US-Einrichtungen mit Autobomben vorbereitet. 2006 hatten die Kofferbomber von Köln nur deshalb kein Blutbad angerichtet, weil die Sprengsätze wegen eines handwerklichen Fehlers nicht explodierten. Die Täter fuhren jeweils eine Station in den Zügen mit, stiegen wieder aus und ließen die Koffer mit den Bomben in den Zügen stehen, so als hätten sie aus Versehen ihr Gepäck vergessen. Am 2. März 2011 hatte der Islamist Arid Uka auf dem Flughafen Frankfurt zwei US-Soldaten erschossen. Auf dem Bonner Bahnhof war am 10. Dezember 2012 ein Sprengsatz gefunden worden.

In Hamburg werden am Sonntag rund 15.000 Läufer zum Marathon erwartet. Viele haben die Bilder aus Boston im Kopf. Eine Strecke von 42,2 Kilometern lässt sich komplett nur schwer sichern. Ziercke warnte aber vor Panikmache. Er sagte aber auch, dass es 100-prozentige Sicherheit nicht geben könne. Aber die Einsatzkräfte seien sensibilisiert, und die Sicherheitskräfte seien gut aufgestellt. „Konkrete Hinweise auf mögliche Anschläge in Deutschland liegen uns allerdings nicht vor“, hob der BKA-Chef hervor. Bei allen Großereignissen wie auch dem Marathonlauf in Hamburg würden „grundsätzlich besondere Sicherheitsmaßnahmen und die Sicherheitsstandards“ gelten. Das BKA werde die „aktuellen Lageerkenntnisse“ aus dem Anschlag in Boston bei den Sicherheitskonzepten der anstehenden Veranstaltungen berücksichtigen. „Wir wissen aus der Vergangenheit, dass für jedermann erkennbare Sicherheitsmaßnahmen auch eine präventive und abschreckende Wirkung entfalten“, sagte Ziercke.