Verteidigungsminister Hagel warnt Nordkorea. Das Regime in Pjöngjang bereitet den Geburtstag des Staatsgründers vor

Seoul. Angesichts zunehmender Hinweise auf einen bevorstehenden Raketentest in Nordkorea haben die USA ihre Warnungen an das international fast vollständig isolierte Land verschärft. Nordkorea bewege sich nahe „einer gefährlichen Linie“, sagte US-Verteidigungsminister Chuck Hagel in Washington. Die Vereinigten Staaten seien in der Lage, mit jeder denkbaren Handlung Nordkoreas umzugehen, um die USA, ihre Interessen und ihre Verbündeten zu schützen. Das ist eine Drohung mit Vergeltung.

Die Führung in Pjöngjang begann am ersten Jahrestag des Machtantritts von Kim Jong-un mit den Feierlichkeiten zu Ehren des Geburtstages von Staatsgründer Kim Il-sung, der am Montag 101 Jahre alt geworden wäre.

Für Entwarnung sahen Beobachter jedoch noch keinen Anlass. Es gebe Anzeichen, dass der Norden in Kürze Musudan-Raketen abfeuern könnte, zitierte die Nachrichtenagentur Yonhap einen namentlich nicht genannten Geheimdienst-Mitarbeiter in Seoul. Dabei handelt es sich um Mittelstreckenraketen, die zumindest theoretisch den US-Militärstützpunkt auf der Pazifikinsel Guam erreichen könnten. Nordkorea hat den USA mit einem Angriff auf Guam gedroht. Unklar ist, ob das Land dazu tatsächlich in der Lage ist. Auch halten es die meisten Beobachter für unwahrscheinlich, dass Nordkorea es auf einen Konflikt ankommen lassen würde, der wohl seine eigene Zerstörung zur Folge hätte. Doch sie warnen davor, die Entwicklung auf der koreanischen Halbinsel zu unterschätzen.

Denn das kommunistische Land hält eigenen Angaben zufolge „mächtige Angriffswaffen“ zum Abschuss bereit. Die Koordinaten der Ziele seien bereits programmiert, erklärte das nordkoreanische Komitee für die friedliche Wiedervereinigung des Vaterlandes. Was das genau bedeutet, erläuterte das Komitee nicht. Das Komitee zur Wiedervereinigung ist allerdings keine militärische Organisation. Seine Erklärung hat deshalb aus Sicht von Beobachtern etwas weniger Gewicht.

Die Führung in Pjöngjang hat die internationale Gemeinschaft seit der Machtübernahme von Kim Jong-un mit dem Start von zwei Langstreckenraketen sowie einem Atombombentest im Februar provoziert. Die Vereinten Nationen verhängten Sanktionen, die Nordkorea als feindlichen Akt und Vorläufer für eine Invasion wertete. In der Folge ließ das Land eine ganze Reihe von Drohungen los, die vom atomaren Erstschlag gegen die USA bis hin zum Krieg gegen Südkorea reichten. Zudem stationierte es an seiner Ostküste nach Einschätzung der USA bis zu fünf Mittelstreckenraketen. Zuletzt legte Nordkorea Ausländern in Südkorea angesichts eines „bevorstehenden thermonuklearen Kriegs“ die Ausreise nahe.

In Südkoreas Hauptstadt Seoul, die gerade einmal 50 Kilometer von der schwer bewachten Grenze mit Nordkorea entfernt liegt, nahm das Leben gleichwohl weitgehend seinen normalen Lauf. Anzeichen von Panik gab es keine. Die Börse verbuchte den dritten Tag in Folge Gewinne. Präsidentin Park Geung Hye versicherte ausländischen Geschäftsleuten, dass ihr Land sicher sei. Auch dem Tourismus nach Südkorea schien die Krise nichts anzuhaben. Im März kamen Regierungsdaten zufolge knapp zwölf Prozent mehr Ausländer in das Land als vor einem Jahr, für April wurde ebenfalls mit einem Anstieg gerechnet. Luxushotels meldeten eine stabile Auslastung.

Auch in Nordkorea spielte der Konflikt eine untergeordnete Rolle. Der Fokus lag auf den bevorstehenden Feierlichkeiten zu Ehren des Staatsgründers und Großvaters von Machthaber Kim. Die amtliche Nachrichtenagentur KCNA veröffentlichte eine Liste von Gästen, die in Pjöngjang eintrafen. Diese reichten von chinesischen Unternehmern bis zu lateinamerikanischen Verfechtern der von Kim Il-sung entwickelten Ideologie, die zur politischen, militärischen und wirtschaftlichen Autarkie aufruft. Das Parteiorgan „Rodong Sinmun“ lobte zugleich Kim Jong-un, den dritten Vertreter der Kim-Dynastie an der Spitze Nordkoreas. Der 30-Jährige habe nach dem Tod seines Vaters Kim Jong-il im Dezember 2011 „das nordkoreanische Volk aus dem Meer blutiger Tränen“ erhoben.

Von Drohungen im Stile der vergangenen Wochen wurde bis auf einen Seitenhieb gegen Südkoreas Präsidentin abgesehen. Park trage die Schuld daran, dass die gemeinsame Sonderwirtschaftszone Kaesong „an den Rand der Stilllegung“ gebracht worden sei. Nordkorea hatte seine Arbeiter angewiesen, den Betrieben in dem gemeinsam mit Südkorea 2004 eingerichteten Industriegebiet fernzubleiben und so die Arbeiten zum Erliegen gebracht.

Die sieben wichtigsten Industriestaaten der Welt und Russland haben nach dem Säbelrasseln aus Nordkorea den Druck auf das Regime erhöht. Beim Treffen der G8-Außenminister in London sagte Außenminister Guido Westerwelle, die Kriegsrhetorik aus Pjöngjang müsse beendet werden. Notfalls müsse über weitere Sanktionen gesprochen werden. „Ausschlaggebend ist, dass aus der Rhetorik kein heißer Krieg wird“, sagte Westerwelle. „Das ist nicht nur eine Gefährdung für die koreanische Halbinsel und die Nachbarn, sondern auch eine Gefährdung der Stabilität, der Sicherheitsarchitektur global.“