Schuldenkrise zwingt die Staaten Südeuropas, gewissenhafter mit dem Geld der Bürger umzugehen. Aber noch nicht alle habe das eingesehen.

Berlin. Die Mittelmeerländer Italien, Spanien und Portugal sind im Kampf gegen die Bestechung und Bestechlichkeit ihrer Staatsdiener ausgerechnet in den Krisenjahren vorangekommen, sagt eine Studie der Hertie School of Governance in Berlin – weil Geldknappheit zu sauberer Praxis etwa bei der Vergabe öffentlicher Aufträge führte. „Die Krise diente in diesen Ländern als starke Kraft“, indem sie „Ressourcen und Gelegenheiten für Korruption ausgetrocknet“ habe, heißt es in der Studie. Den Grund dafür sehen die Autoren der Studie um die Berliner Politik-Professorin Alina Mungiu-Pippidi in der Sparsamkeit als Folge der Schuldenkrise. „Es ist die Gelegenheit, staatliches Geld nach eigenem Ermessen auszugeben, die Korruption befeuert“, heißt es zunächst. „Austerität spielt eine positive Rolle“ in ganz Europa, heißt es, denn die Summen, die Politiker nach Belieben und oft vorbei an europäischen Ausschreibungsregeln ausgeben können, schrumpften. Zudem habe sich die Wahrnehmung unsauberer Praktiken geändert: Sie werden gesellschaftlich, anders als noch vor Jahren, nicht mehr akzeptiert: „Normative soziale Abwehr und juristische Mittel sind eng verzahnt“, schreiben die Autoren – auch darin liege der krisenbedingte Fortschritt.

Die Forscher haben folgende Fragen gestellt: Wie groß ist der Anreiz zu unlauterem Gebaren? Wie viele Mittel also hat ein Staat zu verteilen, wie viele EU-Fördergelder locken, wie transparent sind die Vergabekriterien? Pflegt eine Volkswirtschaft einen informellen Charakter wie am Dorfstammtisch? Denn auch darauf komme es an – und nicht nur auf die Frage: Wie wirksam sind staatliche und gesellschaftliche Mittel gegen die Korruption?

So teilt die Studie die EU-Staaten in vier Gruppen ein. Grundlage dafür ist ein Ranking in zwölf Kategorien, von der geschätzten Größe der Schattenwirtschaft über die erhaltenen EU-Fördermittel und den transparenten Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen bis zur Pressefreiheit und dem Grad der Unabhängigkeit der Justiz. Es gibt kaum Ausreißer: In allen Kategorien stellt sich die Länderliste so ähnlich dar wie im Gesamtranking der Korruptionsanfälligkeit. Als am wenigsten anfällig für Bestechlichkeit gelten die alten Länder Westeuropas, von Deutschland über Frankreich nach Großbritannien, dazu die Benelux-Staaten und die Nordeuropas sowie Österreich – und eine kleine Insel im Mittelmeer: „Außer Malta hat es keines der EU-Neumitglieder bisher in die erste Gruppe geschafft“, heißt es in der Studie: „Die Kontrolle der Korruption ist immer noch eine Herausforderung.“ Dass sonst keines der in den vergangenen Jahren in die EU aufgenommenen Länder in die Spitzengruppe vorstoßen konnte, spricht nicht für die Überzeugung, gute Regierungs- und Verwaltungspraxis komme von Brüssel aus auch an die Ränder der Union. So gehören zu jenen Staaten mit hohem Korruptionsanreiz und geringer Gegenwehr, der letzten Gruppe im Ranking, vor allem Neumitglieder: Bulgarien und Rumänien, Polen, Lettland und Tschechien – und auch Griechenland.

Für das klamme Land, das schon zweimal Milliardenhilfen aus den Rettungsschirmen der EU erhielt, gilt nicht, was die Studie Italien und Spanien bescheinigt: aus der Krise zu lernen und den Kampf gegen das Übel der Korruption erfolgreich zu verstärken. „Griechenland verbindet eine hohe Bürokratielast und geringe Transparenz mit einer schlechten Leistung bei allen gesellschaftlichen wie rechtlichen Beschränkungen“ der Bestechlichkeit, heißt es in der Studie, die diese Woche im Europaparlament vorgestellt wird. Auch Zypern, der jüngste Hilfsempfänger aus dem Rettungsfonds ESM, hat Nachholbedarf, wenn es auch in der zweitbesten Gruppe landet, zusammen mit Ungarn, Estland und Litauen. Für diese Länder sieht die Studie Gefahren wegen der „hohen Anreize für Korruption“: hohe Summen an EU-Fördergeldern etwa, verbunden mit einer „informellen Wirtschaftsstruktur“ – und im Fall Zyperns speziell geringe Transparenz der Verwaltung durch „schwach ausgeprägtes E-Government“. Wo jeder Amtsgang persönlich vorgenommen werden muss, da existieren auch mehr Schmiergeldumschläge.

Aus der Diskussion im Europaparlament sollen Empfehlungen entstehen, wie die EU das Problem besser in den Griff bekommen kann. Denn eines stellt die Studie klar: So sauber einzelne Länder sein mögen, so tief können Unternehmen aus Vorzeigeländern in dem Sumpf der anderen verstrickt sein, etwa um auf dem dortigen Markt Fuß fassen zu können. Die Lösung müsse lauten, EU-Wettbewerbsregeln strikt anzuwenden und den Regierungen besser auf die Finger zu schauen. Zudem rät die Studie, nicht allein auf neue Stellen zur Korruptionsbekämpfung zu setzen, sondern der Bestechlichkeit den Boden zu entziehen, indem Staaten die Bürokratie für Bürger und Unternehmer verringern. „Es gibt Belege dafür, dass Länder gute Ergebnisse erzielen, wenn sie sie sich auf Verwaltungsreformen konzentrieren“, heißt es in den Empfehlungen. Das heißt: den Handel zu liberalisieren, Genehmigungsverfahren zu vereinheitlichen und Transparenz bei den Staatsausgaben zu schaffen.