Der Bürgerkrieg in Syrien verschärft sich zunehmend - und hat mittlerweile Damaskus erreicht. Beobachter sehen das Assad-Regime am Ende.

Damaskus. Zusammengesunken wie eine Puppe liegt der leblose Körper auf dem Fahrersitz des gelben Taxis. Schonungslos richten die Fotografen ihre Objektive auf den Körper des toten Taxifahrers. Wieder Tage voller Horror in Syrien. Diesmal hat es allerdings nicht die Hochburgen der Rebellen getroffen, von denen einige schon seit mehr als einem Jahr immer wieder von den Regierungstruppen bombardiert werden. Die Autobombe, deren Wucht noch Dutzende von Metern entfernt Fensterscheiben bersten lässt, ist vor einem klotzigen Gebäude der Arabisch-Sozialistischen Baath-Partei detoniert.

Am Tag nach dem Anschlag ist klar: Die Zahl der Toten war deutlich höher als bisher angenommen. Allein bei dem Anschlag mit der Autobombe sind nach Angaben der syrischen Menschenrechtsbeobachter mit Sitz in London 61 Menschen ums Leben gekommen. Es hatte am Donnerstag weitere Attentate gegeben, insgesamt starben 83 Menschen an diesem Tag.

Die Antwort des noch immer nicht gestürzten Regimes kam sofort: Syrische Regierungstruppen bombardierten nach Angaben von Aktivisten am Freitag Rebellenhochburgen in der Nähe des internationalen Flughafens von Damaskus. Berichte über Tote gab es zunächst nicht. Auch in den Hochburgen der Aufständischen in Daraja und Moadamijeh südwestlich von Damaskus soll es Kämpfe gegeben haben.

Nach der Anschlagsserie der Rebellen hat Russland den USA eine "Doppelmoral" vorgeworfen. Moskau bedauere, dass Washington erneut davon abgerückt sei, bei den Vereinten Nationen einen Terroranschlag in Syrien zu verurteilen, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow. Russland und die USA sind tief zerstritten in der Frage, wie der Bürgerkrieg in dem arabischen Land beendet werden kann. Russland gehört zu den wichtigsten Verbündeten des Regimes von Präsident Baschar al-Assad. Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die Veto-Macht gemeinsam mit China bereits mehrfach schärfere Sanktionen blockiert.

Das sind die Kämpfe der Diplomatie - weit weg von den Schrecken, die die Menschen Tag für Tag in Syrien erleben: der Kampf zwischen Rebellen und einem stark geschwächten Herrscherapparat. Die Kader der Regierungspartei, die in Syrien seit 1963 an der Macht ist, haben heute nicht mehr viel zu sagen. Die Partei ist nur mehr eine ideologisch ausgehöhlte Fassade für ein Regime von Profiteuren, das vom Familienclan von Präsident Baschar al-Assad abhängig ist.

Die Angehörigen dieses engen Kreises von Assad-Getreuen, dem auch die Führung der Sicherheitskräfte und der verschiedenen Geheimdienste angehört, können sich bislang aufeinander verlassen. Viele von ihnen stammen aus der religiösen Minderheit der Alewiten. Einige wenige Abweichler hat man umgebracht. Eine Hand voll führender sunnitischer Militärs und Funktionäre hat sich ins Ausland abgesetzt. Dazu gehören General Manaf Tlass und Ex-Ministerpräsident Riad Hidschab.

Anders als im Süden von Damaskus ist der Alltag der Menschen, die in der Innenstadt und in den vorwiegend von Regimeloyalisten bewohnten Vierteln der Stadt leben, noch verhältnismäßig normal. Kinder gehen zur Schule, Studenten zur Universität. Die Gasflaschen, die man zum Kochen braucht, sind teuer geworden, weshalb einige Restaurants geschlossen haben. Doch Hunger leidet hier niemand. Das Stadtbild wird nicht von zerbombten Häuserfassaden geprägt.

Die Gegner des Regimes tun sich schwer damit, Anschläge wie den vor dem Gebäude der Baath-Partei mit mehr als 60 Toten zu verurteilen, auch wenn dabei Zivilisten ums Leben kommen. Sie beschuldigen reflexartig das Regime, obwohl sich noch niemand zu dem Anschlag bekannt hat, und vermuten insgeheim, dass es vielleicht doch islamistische Rebellen waren.

Rami Abderrahman, der in London die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter leitet, sieht das anders. Im Gegensatz zu den Revolutionskomitees zählt er nicht nur die getöteten Rebellen und die Zivilisten aufseiten der Regimegegner. Er listet jeden Tag ebenso akribisch die getöteten Soldaten und Zivilisten in den Wohnvierteln der Assad-Anhänger auf. Deren Zahl ist in den vergangenen zwei Monaten stark angestiegen. Nicht nur viele Syrer glauben inzwischen, dass der Bürgerkrieg in absehbarer Zeit auf dem Schlachtfeld entschieden wird - zugunsten der Rebellen.