Soldaten der malischen Armee sollen bei der Rückeroberung Nordmalis mehrere Tuareg hingerichtet haben. Westerwelle zeigt sich besorgt.

Berlin/Dakar. Berichte über Racheakte der malischen Armee an Angehörigen des Tuareg-Volkes sorgen bei der Bundesregierung vor dem geplanten Bundeswehr-Einsatz für Unruhe. „Das sind schwerwiegende Vorwürfe, denen gründlich nachgegangen werden muss“, sagte Außenminister Guido Westerwelle am Donnerstag in Berlin. „Racheakte oder Gewalt malischer Soldaten gegen Zivilisten oder ethnische Minderheiten wären in keiner Weise akzeptabel“. Anwohner und Menschenrechtsorganisationen hatten malischen Regierungstruppen vorgeworfen, bei ihrem Vormarsch in der zentralmalischen Stadt Sevare mehrere Tuareg und Araber hingerichtet zu haben. Als Teil eines EU-Ausbildungsprogramms sollen bald auch deutsche Truppen nach Mali entsandt werden, um die Soldaten der desolaten Armee zu schulen.

Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Gernot Erler forderte die Bundesregierung auf, dafür zu sorgen, dass in diesem Zusammenhang die Einhaltung der Menschenrechte Priorität habe. „Würde man solche Entwicklungen einfach hinnehmen, käme dies zwangsläufig einer Delegitimierung der EU-Ausbildungsmission gleich“, warnte Erler.

Frankreich schickte unterdessen nach Angaben aus Militärkreisen Elitetruppen in Malis Nachbarland Niger, um dort die Uran-Abbaustätten des Staatskonzern Areva zu sichern. Areva baut in Niger seit über 50 Jahren Uran für die französischen Atomkraftwerke ab, die drei Viertel des Stroms in Frankreich liefern.

Menschenrechtler: Haben Beweise für Hinrichtungen

In der malischen Stadt Sevare sah ein Reuters-Reporter im Stadtteil Walirdi mindestens sechs Leichen. Drei von ihnen lagen teils mit Sand bedeckt nahe einer Bushaltestelle und wiesen Verbrennungen auf. Drei weitere Leichen waren in der Nähe in einen Brunnen geworfen worden. Die Internationale Vereinigung für Menschenrechte (FIDH) in Paris erklärte, sie habe Beweise dafür, dass die malische Armee seit dem 10. Januar mindestens elf Menschen in Sevare hingerichtet habe. Sie forderte eine unabhängige Untersuchung. Unter den Opfer seien Menschen, die der Kollaboration mit den Islamisten oder des Waffenbesitzes verdächtigt worden seien, andere hätten nicht die richtigen Ausweise gehabt oder wegen ihrer helleren Gesichtsfarbe schlicht ausgesehen wie Araber oder Tuareg, die mit den Rebellen verbündet seien. Die Armee dagegen wird von Schwarzafrikanern aus dem Süden Malis dominiert und weist die Vorwürfe zurück. Nach den Vorwürfen sperrte die Armee Sevare für Journalisten.

Der Schmuckverkäufer Oumar, der seit langem mit den Tuareg in Sevare zusammenarbeitet, sagte, sein Freund Hamid Ag Mohamed sei von Soldaten festgenommen worden, kurz nachdem Präsident Diouncounda Traore am 11. Januar den Notstand ausgerufen und dem Militär damit weitreichende Ausnahmebefugnisse erteilt habe. „Ich habe versucht, ihn anzurufen, aber es ist niemand an den Apparat gegangen“, sagte Oumar, der seinen Nachnahmen aus Furcht vor Racheakten nicht nennen wollte. „Am nächsten Tag lag seine Leiche hinter der Haltestelle in Sevare“. Auch viele weitere Leichen hätten dort und in Brunnen gelegen. „Es waren nur Tuareg und Araber, einige mit Bärten“, sagte Oumar.

Französische Truppen kämpfen an der Seite der malischen Armee seit knapp zwei Wochen gegen die islamistischen Rebellen, die den Norden des Wüstenstaates kontrollieren. Frankreich hatte eingegriffen, nachdem die Rebellen in Richtung der Hauptstadt Bamako im Süden des Landes vorgestoßen waren. Künftig sollen sich auch Truppen der westafrikanischen Staatengemeinschaft Ecowas an dem Kampfeinsatz beteiligen. Als erster Staat steuerte Burkina Faso 160 Soldaten für die Eingreiftruppe bei. Ein Korrespondent der Nachrichtenagentur Reuters beobachtete die Soldaten am Donnerstag in der Nähe eines Militärstützpunktes in der Stadt Markala im Zentrum des Landes.

Die Bundeswehr unterstützt den Kampfeinsatz der Ecowas logistisch mit zwei Transportflugzeugen, die Truppen nach Mali fliegen sollen. Eine direkte Beteiligung am Kampfeinsatz schließt die Bundesregierung bisher aus.

Im Norden des Wüstenstaats sagte sich unterdessen ein einflussreicher Tuareg-Anführer von den Al-Kaida-nahen Aufständischen los und gründete seine eigene Organisation namens Islamische Bewegung von Azawad (MIA). Er sei zu Gesprächen mit der Regierung bereit und für eine Verhandlungslösung offen, sagte Alghabass Ag Intallah, der bisher einer der Anführer der islamistischen Gruppe Ansar Dine war, die im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem nordafrikanischen Al-Kaida-Ableger AQIM den Norden des Landes unter ihre Kontrolle gebracht hatte. „Wir wollen unseren Krieg führen und nicht den der AQIM“, sagt Ag Intallah in einem Telefonat, das er aus der Stadt Kidal führte, einer Tuareg-Hochburg im Nordosten Malis. Internationale Vermittler hatten sich seit langem bemüht, einen Keil zwischen die AQIM und ihre Verbündeten zu treiben.