Der britische Premier verteidigt Ankündigung des Austritts-Referendums. Monti warnt Großbritannien vor Lähmung der EU.

Davos. Der britische Premierminister David Cameron hat ein wettbewerbsfähigeres Europa und mehr Erfindergeist in der EU gefordert. „Es ist an der Zeit, dass wir Europa wieder zu einem Wachstumsmotor machen“, sagte er am Donnerstag auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. In einer vielbeachteten Grundsatzrede hatte er einen Tag zuvor in London angekündigt, das Volk über die Mitgliedschaft Großbritanniens in der Europäischen Union bei einem Referendum abstimmen zu lassen.

Die europäischen Regierungschefs wollen Großbritannien als Mitglied in der EU halten. „Ich möchte, dass Großbritannien weiterhin eine zentrale Rolle für die EU spielt. Das ist sehr wichtig, auch weltweit gesehen“, sagte Irlands Regierungschef Enda Kenny in Davos.

Der britische Premierminister David Cameron stößt mit seiner Forderung nach einem neuen EU-Vertrag und einer darin verankerten Rückverlagerung von Rechten jedoch auf immer breiteren Widerstand. Am deutlichsten wurde am Donnerstag der italienische Ministerpräsident Mario Monti. Er sehe keine Chance für die von Cameron geforderte EU-Vertragsänderung, sagte er auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Cameron selbst verteidigte dagegen seine Ankündigung, ein Austritts-Referendum nach 2015 anzuhalten. Er wolle nicht nur Großbritannien reformieren, sondern die ganze EU.

Monti warnte die britische Regierung vor einer Erpressung der EU-Partner. Bei einem Referendum müsse die Frage gestellt werden: „Wollen Sie, dass Großbritannien weiter Mitglied der EU ist oder nicht?“ Ein Austritt bedeute dann eben auch den Verzicht auf die Mitgliedschaft im EU-Binnenmarkt. Eine solche Frage sei der einzige Weg, dass EU-Länder über ihren Austritt entscheiden könnten, ohne die EU-Partner zu erpressen. „Dies ist besser als weiter zu warten und die anderen zu lähmen“, sagte Monti.

Sein niederländischer Kollege Mark Rutte teilte zwar das britische Anliegen, dass die EU wieder wettbewerbsfähiger werden und dass auch über eine Rückverlagerung von Kompetenzen gesprochen werden müsse. „Ich würde (aber) nicht zustimmen, wenn jemand für sich neue ’Opt-Outs’ verlangen sollte. Das ist nicht gut“, sagte er zu Forderungen Camerons, dass Großbritannien sich teilweise aus der europäischen Innen- und Justizpolitik zurückziehen wolle. Es sei sehr wichtig, dass die EU der 27 Länder zusammenbleibe. Eine Vertragsänderung hält er nur langfristig für möglich. Wie die Regierungschefs aus Dänemark und Irland unterstütze er aber den Versuch, den Binnenmarkt weiterzuentwickeln, um die EU wettbewerbsfähiger zu machen.

Cameron verteidigt Rede

Cameron hatte am Mittwoch angekündigt, dass er mit den anderen EU-Regierungen über eine Rückholung von Zuständigkeiten verhandeln wolle. Die EU müsse „flexibler und offener“ werden. Er wolle die Briten nach den Reformen in einem Referendum nach der nächsten britischen Parlamentswahl abstimmen lassen, die für 2015 geplant sind. Am Donnerstag verteidigte er in Davos seine Rede. Angesichts der Tatsache, dass die Euro-Zone sich immer weiter integrieren werde, müsse das Verhältnis mit den Nicht-Euro-Ländern in der EU geklärt werden, sagte er. „Wir wollen diese Debatte führen. Das ist notwendig für ganz Europa.“

Der irische Ministerpräsident Enda Kenny äußerte sich zurückhaltend und übte Kritik vor allem an dem späten Zeitpunkt des Referendums. „Fünf Jahre sind eine Ewigkeit in der Politik.“ Die EU brauche aber jetzt Klarheit und einen Horizont, wohin die Entwicklung gehe. Irland hat derzeit den EU-Ratsvorsitz.

Die nun absehbare lange Ungewissheit über die künftige britische EU-Mitgliedschaft wird auch in der Wirtschaft als Problem angesehen. So sagte der Chef der Deutschen Post, Frank Appel, dem Sender CNBC, Camerons Ankündigung schaffe für die nächsten vier bis fünf Jahre Unsicherheit. Derzeit bräuchten die Unternehmen aber vor allem Sicherheit in ihren Planungen. Andererseits dürften die Auswirkungen der Ankündigung auch nicht überschätzt werden, betonte Appel. Die Deutsche Post beschäftigt in Großbritannien rund 55.000 Menschen.