Deutsche Bischöfe erinnern an weltweit verfolgte Christen und warnen vor zunehmender Spaltung in Arm und Reich

Rom/Berlin. Papst Benedikt XVI. hat in seiner Weihnachtsbotschaft ein Ende der Gewalt im Bürgerkriegsland Syrien und Mut zu neuen Verhandlungen im Nahen Osten gefordert. Die Bevölkerung Syriens sei zutiefst verletzt und geteilt durch einen Konflikt, der nicht einmal die Wehrlosen verschone und unschuldige Opfer hinwegraffe, sagte der 85-Jährige. "Noch einmal rufe ich dazu auf, das Blutvergießen zu beenden, die Hilfeleistungen für die Flüchtlinge und Evakuierten zu erleichtern und auf dem Weg des Dialogs eine politische Lösung für den Konflikt zu verfolgen." Im syrischen Bürgerkrieg wurden nach Schätzungen binnen 21 Monaten mindestens 42.000 Menschen getötet, Millionen mussten fliehen.

An die Konfliktparteien im Nahen Osten appellierte der Papst, den Mut zu finden, allzu vielen Jahren der Kämpfe und Spaltungen ein Ende zu setzen und mit Entschiedenheit den Verhandlungsweg einzuschlagen.

Auch in Bethlehem stand der Nahost-Friedensprozess im Mittelpunkt: Der Lateinische Patriarch Fuad Twal hofft nach der Aufwertung Palästinas zum Beobachterstaat durch die Vereinten Nationen auf neue Impulse in dem Konflikt. Allein Gerechtigkeit und Frieden im Heiligen Land könnten zu einem regionalen und globalen Gleichgewicht führen, sagte der höchste Repräsentant des Vatikans im Heiligen Land bei der Mitternachtsmesse in der Geburtskirche in Bethlehem. Ungeachtet internationaler Kritik forciert Israel derzeit den Siedlungsbau. Die Palästinenser befürchten, dass dadurch die Bildung eines zusammenhängenden Palästinenserstaates im Westjordanland erschwert und ein Ausbau Ostjerusalems zu ihrer künftigen Hauptstadt unmöglich gemacht werden könnte.

Nach der Weihnachtsbotschaft erteilte der Papst am Dienstag den apostolischen Segen "Urbi et Orbi" - der Stadt und dem Erdkreis. Vor Zehntausenden Menschen auf dem Petersplatz und Millionen Fernsehzuschauern in aller Welt verlas er Weihnachtsgrüße in 65 Sprachen. Auf Deutsch sagte das Oberhaupt von weltweit 1,2 Milliarden Katholiken: "Die Geburt Jesu Christi, des Erlösers der Menschen, erfülle euer Leben mit tiefer Freude und reicher Gnade; sein Friede möge in euren Herzen wohnen. Gesegnete und frohe Weihnachten!"

In der Christmette am Heiligen Abend hatte Benedikt die Gottvergessenheit in westlichen Ländern beklagt. "Je schneller wir uns bewegen können, je zeitsparender unsere Geräte werden, desto weniger Zeit haben wir", sagte er. "Wir sind mit uns selbst vollgestellt, sodass kein Raum für Gott bleibt. Und deshalb gibt es auch keinen Raum für die anderen, für die Kinder, für die Armen und Fremden." Die Christmette, die in 60 Länder und im Internet übertragen wurde, war wie in den Vorjahren früher als sonst angesetzt, um dem 85 Jahre alten Papst mehr Ruhe vor der Weihnachtsbotschaft zu gönnen.

Die katholische Kirche in Deutschland hat am zweiten Weihnachtstag der Opfer der weltweiten Christenverfolgung gedacht und einen stärkeren Schutz der Religionsfreiheit gefordert. Christen seien derzeit die am stärksten verfolgte religiöse Gruppe, erklärte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. Zu Weihnachten starben bei Anschlägen auf Kirchen in Nigeria mindestens zwölf Menschen.

Hinter den Angriffen auf zwei Gotteshäuser im Norden des Landes wird die radikalislamische Terrororganisation Boko Haram vermutet. Boko Haram verübt seit 2009 Anschläge und Morde in Nigeria, denen mehr als 1400 Menschen zum Opfer gefallen sein sollen. Bereits in den vergangenen beiden Jahren hatte die Terrorgruppe zu Weihnachten Kirchen attackiert. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick sagte, im zu Ende gehenden Jahr habe sich die Situation der Christen in mehreren Ländern sogar noch verschlechtert. Weltweit würden nach Angaben von internationalen Organisationen derzeit bis zu 100 Millionen Christen verfolgt oder bedroht.

Der Freiburger Erzbischof Zollitsch nannte die Lage in Ägypten besonders besorgniserregend: "In Ägypten droht die Errichtung eines islamischen Gottesstaates, der dem Christentum, vor allem der großen koptischen Kirche die Luft zum Atmen nehmen könnte." Es gehöre zu den Glaubenspflichten eines jeden Christen, für bedrohte Schwestern und Brüder zu beten und sich durch Spenden und politische Aktionen für sie zu engagieren.

Sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche in Deutschland warnten vor einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich und forderten mehr Solidarität mit Schwächeren. "Die Armen bleiben zurück, und der Reichtum in der Hand einiger weniger nimmt weiter zu. Das ist eine gefährliche Entwicklung", warnte Zollitsch. Der oberste Repräsentant der protestantischen Christen in Deutschland, der EKD-Vorsitzende Nikolaus Schneider, betonte, auch hierzulande gerieten zunehmend Menschen ins Abseits und drohten dauerhaft abgehängt zu werden. "Die Weihnachtsbotschaft fordert uns heraus, für diese Menschen die Stimme zu erheben und nach sozialer Gerechtigkeit zu suchen", sagte der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover.

Zollitsch prangerte auch die zunehmende Gewalt in Schulen und Fußballstadien an. Eine Ursache dafür sieht er in den Unterhaltungsmedien, die selbst an Weihnachten Actionstreifen und brutale Thriller ausstrahlen.