Die Geburtsstadt Christi hofft auf einen Touristenboom rund ums Fest. Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern belastet das Geschäft

Bethlehem. Zyan al-Bandak und sein Angestellter Roman al-Khateeb sitzen auf Holzhockern und spielen Backgammon. Außer dem Geräusch der Würfel, die gegen die Holzkiste stoßen, ist es völlig still in ihrem Souvenirshop in Bethlehem. Eigentlich sollten sich hier jetzt Touristen drängeln, geschnitzte Holzkreuze, Madonnen und Jesusbildchen kaufen. Aber wenige Tage vor Weihnachten ist in dem Laden keine Spur von Konsumfreude oder festlicher Atmosphäre. "Früher haben wir gedacht, Backgammon ist was für alte Leute", sagt Roman. "Jetzt spielen wir selber. Es gibt ja ohnehin nichts zu tun." 2010 hatten die beiden den Laden in Bethlehems Zentrum übernommen.

Wenn es gut läuft, kommen hier die meisten Touristen vorbei, manchmal ganze Busladungen voller Nigerianer oder Japaner. In den vergangenen Jahren war das der Fall, deshalb hatten sie extra den Laden gewechselt, eine größere Fläche gemietet. Jetzt liegen Holzschnitzereien, Postkarten und Schlüsselanhänger mit palästinensischer Fahne wie Blei in den Regalen.

"Wir wussten, was kommen würde", sagt Roman. Der Gaza-Krieg im November hat der wichtigsten Stadt des Christentums, in der viele Bewohner vom Tourismus leben, einen empfindlichen Schlag versetzt. Schon vor vier Jahren nach dem ersten Gaza-Krieg sei es genauso gewesen, sagt Zyan.

Das sieht Mohammed al-Isleeni ähnlich. Der 30-Jährige ist Taxifahrer in Bethlehem und verdient nur etwa halb so viel wie 2011. "Nach dem Gaza-Krieg sind meine Umsätze eingebrochen." Bis vor zwei Monaten habe er manchmal bis zu 8000 Schekel (1600 Euro) im Monat verdient, jetzt gerade einmal die Hälfte. Offizielle Zahlen des palästinensischen Hotelverbandes stützen den eher düsteren Eindruck: Nach Angaben von Verbandschef Elias al-Arja wurden bereits im November auf dem Höhepunkt der blutigen Auseinandersetzung zwischen Israel und Hamas 40 Prozent aller Buchungen für Aufenthalte im Westjordanland storniert. Als wichtigste Stadt für den palästinensischen Fremdenverkehr ist Bethlehem davon besonders betroffen. Zwischen 13 und 15 Prozent trägt der Tourismus zum palästinensischen Bruttoinlandsprodukt bei.

Sogar auf Bethlehems zentralem Mangerplatz neben der Geburtskirche wirkt die Atmosphäre wenig weihnachtlich. Zwar dient den wenigen Touristen ein riesiger Weihnachtsbaum als Fotomotiv, aber ansonsten gibt es kaum Weihnachtsdekoration, sogar die Beleuchtung erscheint spärlich im Vergleich zu deutschen Innenstädten. Palästinensische Jugendliche sitzen auf Bänken und rauchen Wasserpfeife. Ab und zu lassen sich ein paar afrikanische Touristen vor der Tanne fotografieren.

"Wir hoffen immer noch", sagt George Kanan, der direkt am Platz das Restaurant "Square" führt. Auch für ihn ist jetzt Hochsaison, deshalb bemühen sich an diesem Tag fünf Angestellte um ebenso viele Gäste. Ironie der Geschichte: Die Bewirteten sind Fernsehjournalisten - auf der Suche nach Bethlehems Weihnachtsstimmung. "Jeder redet über die mangelnde Sicherheit, und deshalb kommen die Leute nicht", klagt Kanan. Trotzdem bleibt er optimistisch: Für Heiligabend hält er 13 zusätzliche Saisonkräfte auf Abruf.

Doch auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes ist die Stimmung noch gedrückter. Violet, die ihren Nachnamen nicht gedruckt lesen möchte, arbeitet dort in einem kleinen Souvenirshop. "Gefühlt habe ich dieses Jahr 50 Prozent weniger verdient", sagt sie. Die Zahlen sind nicht ganz so dramatisch, dokumentieren aber den Verlust: 75.000 Schekel Umsatz, umgerechnet 15.000 Euro, hat der Laden im vergangenen Jahr eingenommen, bis zum 18. Dezember dieses Jahres waren es nicht einmal 60.000 Schekel, also 12.000 Euro. Wie so viele Bethlehemer setzt Violet auf die Feiertage. Von den etwa 30.000 Einwohnern werden dann viele arbeiten - in der Hoffnung, mit Tagestouristen noch einmal Kasse zu machen. Den Bethlehemern selbst bleibt keine Zeit zum Feiern - obwohl sie das gern würden. Viele sind Christen.

Fragt man jedoch bei offizieller Seite nach, hört sich das alles ganz anders an: "2012 ist ein Rekordjahr", sagt Ali Abu Sour vom palästinensischen Tourismusministerium. "Im Vergleich zu 2011 haben wir fast 20 Prozent mehr Touristen und 25 Prozent mehr Übernachtungen. Dieses Jahr reisen 2,25 Millionen Besucher ins Westjordanland, letztes Jahr waren es nur 1,8 Millionen. Schön wäre es, wenn Israel die Grenzen öffnen würde und wir freien Verkehr in beide Richtungen hätten. Davon profitieren auch die Israelis." Was Sour nicht sagt, erklärt später Bethlehems Bürgermeisterin Vera Baboun, die diese Zahlen kennt. "Das sind natürlich nur Hochrechnungen für 2012." Der jüngste Gaza-Krieg ist in der Kalkulation nicht eingerechnet.

Die 56-jährige Christin Vera Baboun ist seit wenigen Wochen Oberhaupt der Stadt - als zweite Frau überhaupt im gesamten Westjordanland. Verantwortlich für die Touristen-Flaute sind ihrer Ansicht nach auch israelische Reiseveranstalter, die mit ihren Gästen oft nur Kurztrips ins Westjordanland unternehmen - offiziell wegen Sicherheitsbedenken. "Für die Nachhaltigkeit unseres Tourismus hier ist das schlecht." Trotzdem bleibt sie zuversichtlich: "An Heiligabend sind die Hotels der Stadt ausgebucht."

Souvenirshop-Betreiber Michael Musleh wird wütend, wenn man ihn auf die offiziellen Stellen der Stadt anspricht. "Was machen die da im Tourismusministerium, ihren Hintern breitsitzen?" Der 63-Jährige verkauft seit 1966 aus Olivenbaumholz geschnitzte Krippen und Kreuze. "Die meisten Touristen kommen in Gruppen und werden nur in ganz bestimmte Läden geführt, die dafür extra zahlen. Die Guides erzählen, dass wir Palästinenser gefährlich sind."