Das Hamburger Abendblatt erklärt in einer Serie die gefährlichsten Konfliktherde der Welt und ihre Hintergründe. Im 7.Teil: Der Kongo.

Hamburg. Der noch immer beste Text zum Verständnis des Kongo ist fast 114 Jahre alt. In seinem autobiografischen Roman "Das Herz der Finsternis" beschreibt der polnisch-britische Schriftsteller Joseph Conrad, selbst einst Dampfer-Kapitän auf dem Kongo-Fluss, die Gräueltaten an der einheimischen Bevölkerung durch das unfassbar grausame Kolonialregime des belgischen Königs Leopold II.

Der Monarch hatte den Kongo kurzerhand zu seinem Privatbesitz erklärt und ließ Menschen wie Bodenschätze erbarmungslos ausbeuten. Tausenden, die zu langsam arbeiteten, wurden die Hände abgehackt. Aufgrund der "Kongo-Gräuel" starb innerhalb weniger Jahre rund die Hälfte der 20 Millionen Kongolesen. Das im Mittelalter einst bedeutende Königreich Kongo versank in Apathie und Verzweiflung. Bis heute ist das diabolische System aus Gewalt und Ausbeutung in Kraft.

Ende der 50er-Jahre wurde der belgischen Regierung angesichts anhaltender Unruhen und nationaler Bewegungen klar, dass der Kongo nicht zu halten war. Die Unabhängigkeit erfolgte 1960 übereilt und inmitten eines politischen Chaos. Weniger als 30 Kongolesen besaßen einen Universitätsabschluss; von den 4500 höchsten Staatsbeamten waren nur drei Afrikaner.

Kaum waren Ministerpräsident Patrice Lumumba und Staatspräsident Joseph Kasavubu im Amt, erklärte der Politiker Moise Tschombe die an Bodenschätzen reiche Provinz Katanga für unabhängig. Ihn unterstützten Belgien und die USA. Lumumba wurde von Kasavubu mithilfe von Generalstabschef Joseph-Desire Mobutu gestürzt und an Tschombe ausgeliefert, der ihn ermorden ließ - was US-Präsident Eisenhower ausdrücklich empfohlen hatte.

Der Bürgerkrieg zwischen "Lumumbisten" und den vom Westen unterstützten Kasavubu-Truppen, bei dem es zu Massakern auch seitens belgischer Einheiten kam, endete erst 1965, als sich Mobutu an die Macht putschte. Er ließ die Regierung hinrichten und errichtete ein Schreckensregime im dem von ihm Zaire geheißenen Kongo, das bis 1997 andauerte. Wie vor ihm die Belgier, so plünderte nun Mobutu den rohstoffreichen Kongo aus und raffte Milliarden zusammen.

Doch die dramatischen Veränderungen der Weltarchitektur mit dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums blieben nicht ohne Auswirkung auf Mobutus Herrschaft. Als dann noch mehr als eine Million Hutu-Flüchtlinge nach dem Völkermord in Ruanda mit mehr als einer Million Toten - vor allem Tutsi - in das Land strömten und sich Rebellengruppen bildeten, erodierte seine Diktatur.

Der ostkongolesische Rebellenführer Laurent-Desire Kabila, der von Ruanda und Uganda unterstützt wurde, stürzte Mobutu schließlich. Doch Ruanda und Uganda wollten keinen stabilen, starken Kongo an ihrer Flanke, unterstützten nun Rebellionen gegen Kabila und lösten damit schließlich den "Afrikanischen Weltkrieg" mit mehr als drei Millionen Toten aus, an dem sich mindestens zwölf afrikanische Staaten sowie mehrere Rebellenbewegungen und Söldner aus Libyen, Nordkorea und anderen Ländern beteiligten.

Im Prinzip ist dieser Konflikt, der bis heute andauert, eine erweiterte Fortsetzung des entsetzlichen Bürgerkriegs zwischen den Volksstämmen der Hutu und der Tutsi in Ruanda. Die nach dem Völkermord an den Tutsi von einer Tutsi-Miliz vertriebenen, aber immer noch schwer bewaffneten Hutu griffen von Zaire - nun Demokratische Republik Kongo genannt - das Tutsi-Regime in Ruanda und auch die im Kongo lebenden Tutsi an. Es bildeten sich im Kongo Tutsi-Milizen, die von Ruanda und Uganda unterstützt wurden. Dem neuen Machthaber Kabila gelang es weder wirtschaftlich noch politisch, das Riesenland, das fast siebenmal so groß ist wie Deutschland und heute mehr als 70 Millionen Einwohner hat, erfolgreich voranzubringen und zu befrieden. Bei Teilen der eigenen Bevölkerung stand er zudem im Verdacht, eine Marionette Ruandas zu sein.

Schließlich brach Kabila im August 1998 mit dem einstigen Verbündeten Ruanda und warf die ruandischen Militärs aus dem Land. Das ruandische Regime, unterstützt von Uganda und rebellierenden kongolesischen Einheiten, zettelte sofort Aufstände gegen Kabila an. Der rasche Vormarsch der Rebellen unter Ruandas Führung im Kongo erschreckte Kongos Nachbarn - und nun griffen Angola und Simbabwe aufseiten Kabilas ein. Ein Friedensabkommen scheiterte 1999, schließlich stationierte die Uno Blauhelm-Soldaten.

Kabila fiel im Januar 2001 einem Attentat zum Opfer, und sein Sohn Joseph Kabila übernahm seinen Posten.

In den Jahren 2006/7 und 2008 flammten die Kämpfe zwischen den Tutsi-Rebellen und den kongolesischen Regierungstruppen immer wieder auf; das "schwarze Herz Afrikas" kommt nicht zur Ruhe. Im November 2012 bildete sich die Tutsi-geführte Rebellenmiliz "Bewegung 23. März". Zu ihr gehören auch viele Hutu. Diese Miliz, deren Mitglieder einst in die kongolesische Armee integriert worden waren, die aber aus Enttäuschung über die Politik Kabilas nun rebellieren, hat im Osten Kongos Gebiete erobert. Es geht aber nicht nur um politische Macht, sondern auch um die Kontrolle über Rohstoffe. Im Kongo wird neben Edelmetallen das wertvolle Erz Coltan abgebaut, das vor allem für die Herstellung von Computern und Mobiltelefonen unerlässlich ist.

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