Bundespräsident Joachim Gauck ist am Montag überraschend zu seinem ersten Besuch deutscher Soldaten in Afghanistan eingetroffen.

Masar-i-Scharif. Es sollte eigentlich kein Weihnachtsbesuch werden. Ursprünglich wollte Bundespräsident Joachim Gauck die deutschen Soldaten und Helfer in Afghanistan schon früher treffen, aber das hat nicht geklappt. Dann also doch kurz vor den Festtagen - und in einer Zeit des Umbruchs. Der deutsche Abzug aus Afghanistan hat begonnen.

Sehr zivil und ohne jede militaristische Geste beginnt der Bundespräsident seinen Truppenbesuch. Er war selbst nie Soldat, alles Militaristische ist ihm fremd. Es ist längst dunkel, Regen peitscht über das Feldlager. Vereinzelt bunte Weihnachtsbeleuchtung, viel Stimmung will aber nicht aufkommen. Natürlich dankt Gauck nicht nur Soldaten, Polizisten und Entwicklungshelfern, sondern auch deren Angehörigen in Deutschland, die ihre Lieben über die Festtage schmerzlich vermissen.

Gaucks Verhältnis zum Militär ist durchaus zwiespältig. Bei seinem Antrittsbesuch bei der Bundeswehr erinnerte er im Juni vor der Führungsakademie in Hamburg daran, wie ihm in seinem Leben als DDR-Bürger die Volksarmee verhasst war, die Militarisierung der Gesellschaft, das Militär als „Begrenzung der Freiheit“. Die Bundeswehr sei dagegen eine „Stütze der Freiheit“, betonte er. Eine „Parlamentsarmee“, die an demokratische Werte gebunden ist. Von „Mut-Bürgern in Uniform“ sprach er auch.

Dass deutsche Interessen auch am Hindukusch verteidigt würden, hat der frühere Verteidigungsminister Peter Struck einmal gesagt. Bei seinem ersten Besuch in Afghanistan kann sich Gauck nun ein Bild davon machen, wie das aussieht. Und vielleicht denkt er auch an seinen Vor-Vorgänger Horst Köhler, der kurz nach seinem Besuch in Afghanistan wegen missverständlicher Äußerungen zurücktrat.

Gauck wird sehen, mit welch gigantischem Aufwand in Masar-i-Scharif der deutsche Einsatz organisiert, verwaltet und abgesichert wird. Gut 2000 der immer noch 4500 deutschen Soldaten im Afghanistan-Einsatz sind hier stationiert, und die meisten von ihnen werden Kampfeinsätze nie kennenlernen. Schon in den ersten Stunden habe sich seine Einschätzung verändert, gibt Gauck vor den Soldaten zu.

Wie schon seinen Vorgängern Köhler und Christian Wulff macht ihm das „freundliche Desinteresse“ der deutschen Öffentlichkeit an diesem Einsatz, am Militärischen insgesamt, Sorge. Und Gauck wäre nicht Gauck, wenn er nicht grundsätzliche Fragen stellen würde. Hier in Masar-i-Scharif spricht er von der „in unserer Gesellschaft nicht selbstverständlichen Bereitschaft zum Dienen und zur Hingabe.“

Aber er weiß natürlich auch, dass der Einsatz in Afghanistan in der Bevölkerung von Anfang an umstritten war, und es bis heute ist, auch wenn der Abzug der deutschen Soldaten Ende 2014 vollzogen sein soll. Noch immer herrschten kriegsähnliche Zustände, räumt er ein. Aber es gebe eben auch Erfolge, sagt Gauck vor den Soldaten. „Sie hier können durch Ihre Erfahrungen dazu beitragen, dass in Deutschland ehrlich über den Einsatz gesprochen wird.“ Er will, dass ein realistisches Bild vermittelt wird, keine Verharmlosung, aber auch kein Katastrophenszenario.

Der Besuch des deutschen Staatsoberhaupts in Afghanistan dient auch dem Gedenken an die mehr als 50 Toten, die der Einsatz unter den deutschen Soldaten bisher gekostet hat. Den Ehrenhain für die Gefallenen wollte Gauck später besuchen, an einem anderen Tag. Er hat sich Zeit genommen für Afghanistan. Sein genaues Programm wird aber aus Sicherheitsgründen nicht bekanntgegeben.