Wegen der jüngsten Proteste fand das Referendum über den Verfassungsentwurf unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen statt.

Kairo/Alexandria. Die Ägypter haben sich am Sonnabend in großer Zahl an einer Volksabstimmung über die umstrittene neue Verfassung beteiligt. Wegen des hohen Andrangs sollten die Wahllokale um zwei Stunden länger geöffnet bleiben als zunächst angekündigt. Auch eine Verlängerung bis Sonntag wurde nicht ausgeschlossen. Wegen der jüngsten Proteste fand das Referendum über den islamistisch geprägten Entwurf unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen statt. Aus der zweitgrößten Stadt Alexandria wurden Schlägereien gemeldet.

Die Opposition lehnt den Entwurf ab, weil er ihrer Ansicht nach zu einseitig islamistisch ausgerichtet ist. Präsident Mohammed Mursi hatte die Abstimmung trotz heftiger Proteste nicht verschoben.

Das Referendum wurde von der Polizei und etwa 120.000 Soldaten gesichert. Weil nicht ausreichend Richter zur Überwachung zur Verfügung stehen, findet eine zweite Runde am Samstag kommender Woche statt. Erst dann sollen erste Ergebnisse vorgelegt werden.

„Die Prediger haben gesagt, dass wir mit 'Ja' stimmen sollen“, sagte ein 53-jähriger Mann, der vor einem Wahllokal in Kairo wartete. „Ich habe die Verfassung gelesen und mir gefällt sie.“ Viele Ägypter hoffen, dass eine Verfassung Ruhe in ein Land bringen könnte, dessen Wirtschaft nach Monaten der politischen Unsicherheit am Boden liegt. Ein 35-jähriger Ladenbesitzer sagte, er könne sich ein „Nein“ wirtschaftlich nicht leisten. „Wir brauchen Stabilität“, sagte er. „Die Touristen werden nicht kommen, so lange wie es keine Stabilität gibt.“ Der Oppositionspolitiker und Friedensnobelpreis-Träger Mohammed ElBaradei erklärte dagegen über Twitter, die neue Verfassung werde zu dauerhafter Instabilität führen. In Alexandria sagte ein 45-jähriger Christ, er habe als Patriot gegen den Entwurf gestimmt. „Die Verfassung repräsentiert nicht alle Ägypter“, sagte er.

Dass die Bevölkerung die neue Verfassung ablehnen wird, ist angesichts der Machtverhältnisse unwahrscheinlich. Die Muslim-Brüder, die das Parlament dominieren, sind die am besten organisierte politische Kraft in dem nordafrikanischen Land. Viele Ägypter sind zudem der Unruhen müde, die das Land seit der Erhebung gegen den langjährigen Präsidenten Husni Mubarak 2011 erschüttert haben. Bei Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern Mursis wurden in den vergangenen Wochen mindestens acht Menschen getötet und Hunderte verletzt.