Im ägyptischen Machtkampf will niemand nachgeben. US-Außenministerin Clinton fordert Aktivisten zum Dialog über die Verfassung auf.

Kairo. Anhänger und Gegner des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi haben zu neuen Demonstrationen aufgerufen und damit die Furcht vor weiterer Gewalt genährt. Die mit dem Präsidenten verbündeten Muslimbrüder kündigten auf ihrer Facebook-Seite Proteste vor dem Präsidentenpalast in Kairo gegen die Opposition an. Diese bilde sich ein, sie könne mit Gewalt ihre Ansichten durchsetzen. Unmittelbar danach forderte eine linksgerichtete Oppositionsgruppe ihre Anhänger auf, sich ebenfalls vor Mursis Amtssitz zu versammeln, um gegen den Islamisten zu demonstrieren.

Am Dienstagabend hatten rund 10.000 Menschen rund um den Präsidentenpalast gegen Mursi, seine Macht-Dekrete und den neuen Verfassungsentwurf demonstriert. Dabei kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei. Behörden zufolge wurden 35 Demonstranten und 40 Polizisten verletzt. Am frühen Mittwochnachmittag war die Lage vor dem Palast ruhig. Etwa 200 Demonstranten hatten dort übernachtet und einen der Eingänge blockiert. Im Verkehr gab es jedoch keine Behinderungen und die Polizei hatte sich wieder zurückgezogen. Auch Mursi kehrte in seinen Palast zurück, aus dem er während der Proteste geflohen war.

Die Proteste am Dienstag waren von der Opposition als „letzte Chance“ für den Präsidenten bezeichnet worden. Mursi hat sich vorübergehend umfangreiche Vollmachten gegeben und damit unter Liberalen, Linken und Christen einen Sturm der Entrüstung entfacht. Seine Gegner wollen verhindern, dass er den auf islamischem Recht basierenden Entwurf für eine neue Verfassung auf den Weg bringt. Das Volk soll in einem Referendum am 15. Dezember darüber abstimmen. US-Außenministerin Hillary Clinton rief die Ägypter zu einem Dialog über die Verfassung auf. Die jüngste Gewalt in Kairo und anderen Städten zeige, dass eine solche Debatte dringend notwendig sei, erklärte sie in Brüssel.

Einige Demonstranten verlangen inzwischen sogar den Rücktritt Mursis. Die Politiker könnten mit den Forderungen auf der Straße nicht mehr Schritt halten, sagte Elijah Zarwan von dem European Council on Foreign Relations. „Nun müssen die ägyptischen Liberalen ohne Vorbedingungen verhandeln.“