Juristen bezweifeln aber, dass der Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen der Autonomiebehörde tatsächlich hilft.

Tel Aviv. Keinem Staat der Erde stellten die Vereinten Nationen so viele Geburtsurkunden aus wie Palästina. Und trotz allen Jubels in den palästinensischen Städten, trotz einer überwältigenden Uno-Mehrheit von 139 zu neun Stimmen bei 41 Enthaltungen für eine Aufwertung Palästinas zum Beobachterstaat - die Palästinenser haben immer noch keinen wirklichen Staat. Über die Auswirkungen dieser Uno-Anerkennung streiten sich daher nicht nur die Regierungen in Ramallah und im benachbarten Jerusalem. Die Frage, was aus dieser Anerkennung letztlich werden kann und soll, spaltet Israelis und Palästinenser.

Israels ehemaliger Außenminister Silwan Schalom, ein erklärter Gegner der Uno-Anerkennung, sagte es so: "Vor den Vereinten Nationen ist keine endgültige Entscheidung gefallen. Die kann nur zwischen Jordan und Mittelmeer gefunden werden." Dem könnten auch die palästinensischen Gegner einer Anerkennung in den Reihen der militanten Hamas-Bewegung zustimmen. Hamas-Führer Chaled Maschaal gab Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zwar seine Einwilligung mit auf den Weg nach New York, jedoch nur "soweit dadurch auf keine grundsätzlichen Interessen des palästinensischen Volkes verzichtet wird. Vor allem nicht auf sein Recht zum bewaffneten Widerstand." Im Klartext: das vermeintliche Recht, aus dem Gazastreifen Israel mit Raketen zu beschießen.

Zumindest ein Erfolg von Abbas ist unumstritten. Nur der zunächst verbissene Widerstand aus Jerusalem gegen Abbas habe den lange als "Bürgermeister von Ramallah" Verhöhnten wieder zu einem Präsidenten gemacht, so die israelische Zeitung "Haaretz". Tatsächlich hatte Außenminister Avigdor Lieberman noch im Oktober mit einem "Aus für die Autonomiebehörde in Ramallah" als Konsequenz einer Anerkennung durch die Uno gedroht. Doch kurz vor der Abstimmung in der Generalversammlung hieß es dann in einer lakonischen Stellungnahme des Außenministeriums in Jerusalem nur noch: "Wir machen unsere Reaktionen auf diesen Schritt von der ihm folgenden palästinensischen Politik abhängig."

Und am Freitag wurde in Jerusalem nur noch sehr leise über mögliche "indirekte Strafmaßnahmen" gegen Ramallah gesprochen. Etwa die Einbehaltung palästinensischer Zolleinnahmen für die Zahlung ausstehender Schulden. Die Zölle werden von Israel eingezogen und danach dem palästinensischen Fiskus überstellt. Dessen riesiger Schuldenberg bei den Stromwerken in Israel wurde bislang großzügig übersehen, um die Autonomiebehörde nicht in noch größere Finanzprobleme zu verstricken. Konkret wurde es, als "Haaretz" unter Berufung auf einen hochrangigen Regierungsvertreter in Jerusalem berichtete, dass die Regierung den weiteren Ausbau von Siedlungen in Ost-Jerusalem und im Westjordanland genehmigt habe. Insgesamt sollen 3000 neue Wohneinheiten errichtet werden.

Israels umstrittene Siedlungspolitik galt auch als Grund für 14 der 27 EU-Staaten, die diplomatische Aufwertung Palästinas mit einem "Ja" zu befördern. US-Präsident Barack Obama will nun trotz des "Neins" seines Landes offenbar die von Abbas angekündigte Neuaufnahme von Verhandlungen unterstützen. Die USA müssten dafür erneut Israel um eine Pause bei der Ausweitung von Siedlungen "bitten".

Schon einmal konnte sich Netanjahu einer solchen Bitte nicht verweigern. Nach seinem zu erwartenden Wahlsieg im Februar wäre es sogar möglich, dass er dann über die dafür notwendige innenpolitische Stabilität verfügt.

Abbas hätte weit größere Probleme. Sein wichtigstes Argument für seinen Schritt in New York war die Möglichkeit der Palästinenser, sich an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag wenden zu können. Juristen sehen diese Möglichkeit nicht ganz so offen wie die palästinensische Regierung. Die Richter in Den Haag sind unabhängig von Uno-Entscheidungen und wieweit die Aufwertung aus der Autonomiebehörde tatsächlich einen Staat macht, ist umstritten. Vor den Vereinten Nationen sprach Abbas von israelischen "Kriegsverbrechen im Gazastreifen". Wer dagegen klagen will, muss sich aber auch für die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen gegen Israel verantworten. Die aber kommen von der mit Abbas verfeindeten Hamas. Nicht nur israelische Juristen sehen daher im Nichtmitgliedsstaat Palästina eine sehr unklare juristische Person. "In Den Haag herrschen juristische Regeln und die sind nicht durch Uno-Mehrheiten zu beeinflussen", sagte Israels ehemaliger Uno-Botschafter Dan Gillerman.

Auf den Freudenkundgebungen in palästinensischen Städten sahen viele der Redner die internationale Anerkennung daher als mögliche Ausgangsbasis für einen innenpolitischen Ausgleich. Ex-Geheimdienstchef und Fatah-Führungsmitglied Dschibril Radschub sah den Sieg in New York als "wichtigen Schritt hin zu einer inneren Aussöhnung" zwischen der in Gaza herrschenden militanten Hamas-Bewegung und der al-Fatah von Abbas. In Ramallah feierten Hamas-Vertreter auf der PLO-Kundgebung mit. Sogar das Wort von der "nationalen Aussöhnung" machte die Runde.

Israel sieht in der angestrebten Koalition mit Hamas eine "Rückkehr der PLO zum Terror" und somit ein Ende aller Verhandlungen. Die USA und die EU sehen darin dagegen eine taktische Voraussetzung für wirksame Verhandlungen. Sollten diese tatsächlich Erfolge bringen, könnte sich Hamas gezwungen sehen, zuzustimmen. Siad Abu-ayad, ein ehemaliges PLO-Führungsmitglied, sieht genau das kommen: "Auch Hamas kann sich einem Stimmungsumschwung im palästinensischen Volk nicht widersetzen."