Umfragen sehen Obama als Sieger des dritten TV-Duells vor der US-Wahl. Romney zeigt Willen zu verantwortungsvollem Umgang mit der Macht.

Washington. Sie gingen Kopf an Kopf in ihr letztes TV-Duell, und so biegen der Amtsinhaber und sein Herausforderer nun auch auf die Zielgerade zur Präsidentschaftswahl am 6. November ein. Erste Umfragen sahen zwar den angriffsfreudigeren Präsidenten Barack Obama als Sieger der Debatte in Boca Raton in Florida. Doch die Karten wurden in dieser Diskussion nicht völlig neu gemischt. Ein "Game-Changer" im Wahlkampf, das lässt sich nach diesem dritten Durchgang sagen, war lediglich die erste Präsidentschaftsdebatte vor zweieinhalb Wochen in Denver, als ein bis dahin konstant zurückliegender Mitt Romney durch seinen deutlichen Sieg nach Punkten die Führung Obamas neutralisierte.

In ihren außenpolitischen Positionen lagen die Kandidaten im dritten Duell nicht weit auseinander. Romney stimmte in vielen Punkten mit Obamas Politik überein, etwa im Truppenabzug aus Afghanistan bis Ende 2014 und im Verzicht auf den Einsatz von US-Truppen in Syrien. Aber insgesamt warf er dem Präsidenten einen "Mangel an Führungskraft" und die Schwächung der Stellung der USA in der Welt vor. Obama revanchierte sich mit belehrenden, gelegentlich herablassenden Erklärungen. Der Professor trifft den Doktoranden.

Zum Beispiel: "Unsere Marine ist heute kleiner als je seit 1917. Das ist für mich inakzeptabel. Ich möchte sicherstellen, dass wir die Schiffe haben, die unsere Marine braucht", sagte Romney. Darauf Obama: "Nun, Gouverneur, wir haben diese Dinger, die man Flugzeugträger nennt, auf denen Flugzeuge landen. Wir haben diese Schiffe, die unter Wasser fahren, Atom-U-Boote."

Der Herausforderer präsentierte sich durchaus souverän. Und wer den Republikaner in der Rolle des Kriegstreibers erwartet hatte, musste überrascht registrieren, dass Romney den Friedensnobelpreisträger Obama einmal gar links zu überholen versuchte. Er gratuliere dem Präsidenten zur erfolgreichen Jagd nach Osama Bin Laden. "Aber wir kommen aus diesem Schlamassel nicht heraus, indem wir alle abknallen."

Das war das Signal: Ich, Mitt Romney, wäre ein verantwortungsbewusster Commander-in-Chief, und ich würde nicht die konfrontative Politik von George W. Bush wiederaufnehmen, sondern nach friedlichen Wegen suchen. Besonders bei den Frauen, der mutmaßlich entscheidenden Wählergruppe innerhalb der schwankenden Staaten, kommen derart moderate Positionen nach Einschätzung der Demoskopen an.

Mit Blick auf den Umgang mit der arabischen Staatenwelt rühmte Mitt Romney sogar die Vorschläge einer "Gruppe arabischer Wissenschaftler, die auf Vermittlung der Vereinten Nationen zusammenkamen" und Unterstützung erbeten hatten für die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Länder, für bessere Erziehung und die Gleichstellung der Frauen. Die Vereinten Nationen, das muss man dazu wissen, sind in Republikaner-Kreisen nur bedingt populär.

Der Republikaner bemühte sich durchaus um die Offensive. Barack Obama habe seine Präsidentschaftslegislatur mit einer "Entschuldigungstour" durch Länder im Nahen und Mittleren Osten begonnen, bei der er ausgerechnet Israel ausgelassen habe, "was dort registriert wurde". Als Obama dem Begriff "Entschuldigungstour" widersprach, legte der Herausforderer noch einmal nach: Obama habe in seiner Kairoer Rede erklärt, die USA hätten anderen Ländern in der Vergangenheit Dinge "diktiert". Aber, so Romney: "Amerika hat anderen Ländern nichts diktiert. Wir haben andere Nationen von Diktatoren befreit."

Wiederholt drehte sich die insgesamt eher sachlich geführte Debatte um den Iran. Romney forderte "noch härtere Sanktionen" und eine internationale Isolierung Teherans und seiner Diplomaten, die so "geächtet" werden müssten wie einst die Vertreter des südafrikanischen Apartheidstaates. Ebenso wie Obama wollte er keine Option ausschließen, also auch nicht die eines Militärschlages gegen den Iran.

Der Unterschied: Obama versicherte, er werde nicht zulassen, dass der Iran "die Atombombe bekommt". Romney will diese rote Linie schon früher ziehen und verhindern, "dass der Iran die Atomwaffenfähigkeit erhält". China werde er am ersten Tag im Amt als "Währungsmanipulator" brandmarken, versprach der Ex-Unternehmer Romney. Das ermöglicht rechtliche Schritte etwa gegen chinesische Billigimporte. Der Präsident bilanzierte, seine Regierung habe bislang mehr Gerichtsverfahren gegen chinesische Wettbewerbsverletzungen angestrengt und erfolgreich durchgeführt als sein Vorgänger in zwei Amtszeiten.

Moderator Bob Schieffer ließ immer wieder Ausflüge in die Innen- und Wirtschaftspolitik zu. Und vor allem Romney suchte hier seine Chance, den Präsidenten mit den aktuellen Wirtschaftsdaten zu quälen.

"Die Politik der letzten vier Jahre hat das Einkommen der Mittelklassefamilien um 4300 Dollar sinken lassen", sagte Romney. "23 Millionen suchen immer noch einen guten Arbeitsplatz. Als Sie ins Amt kamen, lebten 32 Millionen Menschen von Lebensmittelmarken - heute sind es 47 Millionen. Als Sie ins Amt kamen, betrugen unsere Schulden knapp zehn Billionen Dollar - heute sind es 16 Billionen Dollar."

Man kann bilanzieren, dass es in dieser formal auf Außenpolitik beschränkten Debatte um drei wichtige Regionen ging: Naher Osten, China - und Ohio. Denn der Präsident schlug zurück und behauptete: "Hätten wir Ihren Rat zu unserer Autoindustrie befolgt, Gouverneur, würden wir heute Autos aus China kaufen, anstatt Autos nach China zu exportieren."

Das war gemünzt auf die von den Republikanern 2009 abgelehnten Steuermittel zur Rettung der großen Autokonzerne im umkämpften Ohio. Romney ("Ich bin ein Sohn von Detroit, ich bin geboren in Detroit.") bestand darauf, er wollte damals nicht die Konzerne liquidieren, sondern in einen "geordneten Bankrott" führen, aus dem sie, dann schuldenfrei, wieder herausgekommen wären. Und das war in der Tat seine damalige Position.

53 Prozent sahen in einer Blitzumfrage des Senders CBS unmittelbar nach der 90-minütigen Debatte Obama vorn. 23 Prozent bescheinigten Romney den Sieg, 24 Prozent befanden auf Patt. In einer CNN-Befragung von unentschiedenen Wählern lagen die Werte mit 48 zu 40 Prozent zugunsten Obamas dichter beieinander.

Damit dürften auch nach Boca Raton Präsident Obama und Herausforderer Romney nicht weiter auseinanderliegen. Die Entscheidung fiel nicht vor dem Fernsehpublikum, sondern wurde vertagt auf den 6. November.