Manchmal gibt es auf EU-Gipfeln wichtige Entscheidungen nur unter Druck. Doch diesmal reichte der Druck nur für ein Kompromisschen.

Brüssel. Wenige Worte waren es am Ende, die über Erfolg oder Misserfolg entschieden. Bundeskanzlerin Angela Merkel beharrte darauf, dass zum Thema Bankenaufsicht im Abschlusspapier des Brüsseler Gipfels die Formulierung „Einigung über den rechtlichen Rahmen“ eingefügt wurde. Damit muss die Aufsicht nun eben nicht schon am 1. Januar 2013 fertig sein. Sondern nur der Rahmen. Was technisch klingt, bringt Merkel Zeit. Bestenfalls ein ganzes Jahr.

Für diese kleine, aber entscheidende Änderung im Gipfel-Papier hatte die Kanzlerin eine Konfrontation mit dem wichtigsten Partner Frankreich riskiert. Die alten Zeiten des engen Schulterschlusses zwischen Berlin und Paris sind vorbei. Präsident François Hollande drängte auf die Umsetzung der Aufsicht noch vor 2013. Am Ende setzte sich Merkel durch, wohl auch, weil Experten den ursprünglichen Zeitplan nicht für machbar hielten. Hollande gab nach, aber das Klima zwischen beiden ist dadurch nicht besser geworden.

Dass Merkel zumindest ein innenpolitisches Befriedungsmanöver gelang, signalisierte am Freitagmorgen FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle. Die Kanzlerin war erst wenige Stunden im Bett, da lobte er den Gipfelbeschluss. „Demokratie heißt doch: Kompromisse finden“, meinte er versöhnlich. Zufrieden äußerten sich auch Banken und Sparkassen. Das Ziel war erreicht.

Auf dem Brüsseler Parkett ist der Erfolg bescheidener. Es ist eher ein Formelkompromiss, der da zustande kam. Hätte man die „Chefs“ dazu wirklich gebraucht? Ohnehin war der Gipfel nach allgemeiner Überzeugung nur eine „Zwischenetappe“, die Euro-Krise ist noch lange nicht gelöst, Griechenland noch lange nicht gerettet, die spanischen Banken sind es auch nicht. Wirklich entschieden wird über die Zukunft Europas auf dem Gipfel im Dezember – vielleicht.

Die Kanzlerin habe bei den schwierigen Gesprächen in der Nacht zeitweise mit dem Rücken zur Wand gestanden, kommentierten Beobachter. Als sie um 03.10 Uhr vor die Presse trat, wirkte sie erstaunlich entspannt und sichtlich zufrieden. Am Morgen davor hatte sie – im selben Outfit, das aufmerksame Twitterer als piraten-orange beschrieben – im Bundestag ihre Regierungserklärung abgegeben. Dass es zähe Verhandlungen in Brüssel waren, nahm sie gelassen. „Da wir immer 27 sind und jeder mal zu Wort kommen möchte, hat es halt ein bisschen gedauert.“

Wenige Stunden später, kurz nach 09.00 Uhr, war die Kanzlerin schon wieder da. Diesmal im grünen Blazer. Für den Griechen-Premier Antonis Samaras hatte sie noch etwas weniger Zeit als für Hollande am Vortag. Die bilateralen Begegnungen sind Pflichtübungen. Vorbei die Zeiten von „Merkozy“, des manchmal schwierigen, aber engen Verhältnisses zu Hollandes Vorgänger Nicolas Sarkozy. Merkel und der Neue in Paris können nicht besonders gut miteinander, heißt es in Brüssel.

Hollande bestätigte diese Einschätzung. Nicht nur, als er den deutschen Vorschlag nach Stärkung des EU-Währungskommissars zurückwies – der in Deutschland stark beachtete Vorstoß von Finanzminister Wolfgang Schäuble spielte in Brüssel so gut wie keine Rolle. Recht süffisant erinnerte Hollande auch an den kommenden Bundestagswahlkampf. Er habe seine Wahl hinter sich, Merkel ihre noch vor sich. Nicht ganz abwegig ist die Annahme, dass er auf einen Machtwechsel in Berlin setzt.

Die Kanzlerin wies jede Unterstellung, sie ließe sich von wahltaktischen Motiven leiten, entschieden zurück. „Das liegt mir völlig fern“, sagte sie. Am Abend wartete noch ein CSU-Termin in Bayern auf sie. Es geht um die Wahlen in einem Jahr.