Nach Jahren blutiger Gewalt nehmen Regierung und Rebellen des südamerikanischen Landes einen neuen Anlauf, Frieden zu schaffen.

Hurdal/Oslo. Erstmals seit zehn Jahren kann Kolumbien auf ein Ende des blutigen Konflikts mit den Farc-Rebellen hoffen. Die Regierung und die linksgerichtete Guerilla eröffneten am Donnerstag in Oslo einen neuen Friedensprozess für das seit fast 50 Jahren von Gewalt geschundene Land. „Es handelt sich um ernsthafte und realistische Verhandlungen“, sagte Regierungs-Chefunterhändler Humberto De la Calle vor Journalisten. Für die Guerilla erklärte Delegationsleiter Luciano Marín, alias Iván Márquez: „Wir sind mit einem Friedenstraum und einem Olivenzweig in der Hand gekommen.“

Zugleich warnte er aber: „Frieden bedeutet nicht das Schweigen der Gewehre.“ Die Guerilla werde sich nicht einfach auflösen. Dies käme einer feigen Kapitulation gleich. In den Verhandlungen müsse der Kern des Konflikts, also die große Ungleichheit in Kolumbien, angegangen werden. Die Guerilla lasse sich auch nicht unter Zeitdruck setzen. Zugleich rief er die zweitgrößte Rebellenorganisation des Landes, die prokubanische „Nationale Befreiungsarmee“ (ELN), auf, sich dem Friedensprozess anzuschließen.

De la Calle sagte, der bewaffnete Kampf sei nur noch ein Anachronismus. Die Regierung sei außerdem zu grundlegenden Reformen bereit. Dazu zählte er die Rückgabe von Land an die Bauern und Entschädigungen für zivile Opfer des Konflikts.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) begrüßte die Gespräche als große Chance für Kolumbien. „Erstmals seit langer Zeit besteht die Aussicht auf Frieden“, erklärte er in Berlin. „Ich appelliere an alle Beteiligten, die Verhandlungen konstruktiv zu führen und der Aussöhnung eine Chance zu geben.“

Der neue Prozess ist der vierte Versuch seit 1984, den inzwischen fast 50 Jahre dauernden Konflikt in Kolumbien zu beenden. Die marxistisch orientierten „Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens“ (Farc) sind mit rund 9000 Kämpfern die größte und älteste Guerilla Südamerikas. Seit 1964 bekämpfen sie den Staat. Der Konflikt hat bisher mehr als 200 000 Menschen das Leben gekostet und Millionen Einwohner aus ihren Heimatregionen vertrieben. Der bislang letzte Friedensprozess war im Februar 2002 gescheitert.

Norwegen und Kuba treten als Vermittler bei den Verhandlungen auf. Diese sollen im kommenden Monat in Havanna fortgesetzt werden. Die Unterhändler wollen dort zunächst am 5. November zusammenkommen, um weitere Details zu besprechen. Am 15. November sollen die Gespräche dann mit dem Schwerpunkt ländliche Entwicklung weitergehen. Die Farc kritisieren die Ausbeutung der Landbevölkerung und halten ausländischen Unternehmen vor, die Bodenschätze des Landes zu plündern.

Bei den Gesprächen wird es auch um die Frage einer Waffenruhe gehen. Die Regierung hat die Forderung der Guerilla nach einer Feuerpause bislang abgelehnt. Zur Verhandlungsgruppe der Rebellen zählt auch die niederländische Guerillera Tanja Nijmeijer alias Alexandra. Sie wird aber erst in einer nächsten Phase an den Gesprächen teilnehmen. Die 34-Jährige hatte sich vor zehn Jahren den Rebellen angeschlossen.

Menschenrechtsorganisationen und Angehörige der Opfer fordern, dass Übergriffe und Verletzungen der Menschenrechte auf beiden Seiten verfolgt werden. Ein dauerhafter Frieden werde nur möglich sein, wenn der Anspruch der Opfer auf Gerechtigkeit geachtet werde, erklärte die Organisation Human Rights Watch. „Der Frieden wird weder dauerhaft noch gerecht sein, wenn eine Vereinbarung beider Seiten auf Straffreiheit für Gräueltaten basiert“, hieß es.

Die frühere Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt, die von der Guerilla verschleppt worden war und bis zu ihrer Befreiung rund sechseinhalb Jahre lang im Dschungel festsaß, rief zur Versöhnung auf. Nur so könne ein dauerhafter Frieden erreicht und ein Schlussstrich gezogen werden. „Es ist sehr schwierig zu vergeben. Aber die Belohnung dafür ist Frieden für unsere Kinder und unsere Enkel. Es ist die Chance auf ein blühendes Kolumbien“, sagte sie.