Bei geplantem Referendum über Unabhängigkeit können sie nur mit Ja oder Nein stimmen. Eine erweiterte Autonomie wird es nicht geben.

Birmingham. Vor dem Hintergrund einer sich verschlechternden Wirtschaftslage hat der britische Premierminister David Cameron am Ende des Parteitages der Konservativen gestern alle Register des Optimismus und der Überredungskunst gezogen, um das versammelte Parteivolk auf neue Horizonte und eine positive Zukunft hinzulenken. Zehnmal verwendete er als Stichwort "Britain is on the rise" - Großbritannien ist im Aufstieg, beziehungsweise seine Aufgabe werde es sein, das Land da hinzubringen.

Wie andere Redner vor ihm benutzte auch Cameron das Erlebnis der Olympischen Spiele in diesem Sommer sowie die weltweit gelobte Leistung, sie perfekt und attraktiv ausgerichtet zu haben, um seine Zuhörer an die Fähigkeit des Landes zu erinnern, große Dinge zu bewegen und sich großen Herausforderungen gewachsen zu zeigen. "Alle von uns haben sich in eine Fahne gehüllt", fügte er pointiert hinzu, um in Erinnerung an die Spiele auch die Einheit des Landes, die Kohäsion des Vereinigten Königreichs zu beschwören.

Der Satz hatte einen handfesten politischen Hintergrund: die Bestrebungen von Schottlands Regierungschef Alex Salmond, Edinburgh aus der Union mit dem Rest des Königreichs zu lösen und es als unabhängigen Staat in Europa zu etablieren. In zwei Jahren, im Oktober 2014, werden die Schotten darüber abstimmen. Aber die Frage war bisher, was genau auf dem Stimmzettel stehen würde, ob einzig die Alternative "Ja" oder "Nein", was die britische Regierung wünscht, oder auch eine zweite Option, genannt "devolution max", also eine noch weitergehende Autonomie, als Schottland sie bisher schon hat, jedoch keine staatliche Unabhängigkeit.

Bereits am Abend vor dem gestrigen Konferenzschlusstag hatte Cameron eine frohe Botschaft herausgelassen: Edinburgh und London haben sich auf die Referendumsfrage geeinigt, demnach werden die schottischen Wähler nur darüber abstimmen, ob sie weiter zur Union gehören wollen oder nicht. Damit haben sich Cameron und der Standpunkt Westminsters durchgesetzt, dass es nur auf diese eine entscheidende Alternative ankomme, auf nichts sonst. Die Kalkulation dahinter ist einfach: Vor die Wahl gestellt, die wärmende Gewohnheit der Vereinigung um einer ungewissen Zukunft willen zu verlassen oder doch lieber bei dem Bewährten zu bleiben, wird die Mehrheit der Schotten Letzteres wählen. Alle Umfragen der jüngsten Zeit weisen darauf hin, dass das Lager der Unabhängigkeitsbefürworter weiter schrumpft. Anfang dieser Woche ermittelte der "Glasgow Herald", nur 28 Prozent stünden hinter dem Begehren nach schottischer Unabhängigkeit, jedoch 53 dagegen. Im Frühjahr hatte dasselbe von der Zeitung bemühte Meinungsforschungsinstitut noch eine Relation von 38:44 ermittelt. Die globale Finanzkrise und ihre Folgen durchkreuzen offensichtlich die Absicht Alex Salmonds, sein Land fit zu machen für die Unabhängigkeit. Die einzige Konzession, die London ihm gegenüber machte, ist, dass das Wahlalter für das Referendum auf 16 Jahre herabgesetzt wird. Die Einigung wollen beide Regierungschefs auf einem Treffen in Edinburgh am Montag besiegeln.

Von der frohen Botschaft zum Referendum und der patriotischen olympischen Erinnerung beseelt, bedachte das Parteivolk gestern David Cameron mit besonders großem Applaus, als er sagte: "Gemeinsam sind wir stärker, gemeinsam kämpfen wir besser. Lasst uns das Referendum durchfechten mit allen Kräften, die wir haben."

Gemeinsamkeit war auch das Stichwort, als der Redner auf seinen größten innerparteilichen Rivalen zu sprechen kam, auf Londons Bürgermeister Boris Johnson. Dieser hatte am Vortag in einer glanzvollen Nummer, zu der alle seine Auftritte geraten, eine wahre Huldigung an den Regierungschef abgelegt, der die Tories bei der Unterhauswahl 2015 "zum Sieg führen wird". Damit würgte Johnson alle Spekulationen ab, die seit Monaten von einer möglichen Herausforderung durch ihn wissen wollen. Er weiß genau, dass die Krise, die das Land durchläuft, keinen zusätzlichen Bruderkrieg im Hause der Tories braucht. Im Gegenteil: Er könnte nur langfristig seine Popularität in der Partei und im weiten Land beschädigen, wenn er ausgerechnet jetzt eine Fehde anzetteln würde. Und so fand der Bürgermeister stattdessen glaubwürdige Worte der Eintracht und des Schulterschlusses mit seinem Parteichef. Dieser dankte es ihm, indem er gestern Johnson als "unser aller Boris" feierte.

Zu Europa ließ sich Cameron nur beiläufig ein, und das kritisch, als er beklagte, wie frustrierend lange man in Brüssel etwa Griechenland diskutiere, während in Asien riesige Herausforderungen entstünden, Wirtschaftsrivalen, die den Europäern davonliefen.