Hugo Chávez gewinnt vierte Amtszeit deutlich gegen jungen Herausforderer

Caracas. Mit einem überraschend deutlichen Wahlsieg hat der venezolanische Präsident Hugo Chavez seine Vormachtstellung in Lateinamerika gefestigt. Der sozialistische Politiker sicherte sich am Sonntag weitere sechs Jahre an der Spitze des rohstoffreichen Landes. "Heute haben wir gezeigt, dass die venezolanische Demokratie eine der besten der Welt ist", rief der 58-jährige Chávez vom Balkon des Präsidentenpalastes in Caracas seinen Anhängern zu - nur wenige Monate nach einer Krebsbehandlung. Sein 40-jähriger Herausforderer Henrique Capriles gestand die Niederlage ein.

Nach Auszählung von 90 Prozent der Stimmen kam Chávez auf 54,4 Prozent, während Capriles 45 Prozent erhielt. Noch im Jahr 2006 gewann Chávez mit einem Abstand von 25 Punkten. Viele Venezolaner sind unzufrieden, weil die Regierung Probleme wie Kriminalität, Stromausfälle und Korruption nicht in den Griff bekommt. Capriles sagte, fast die Hälfte der Bevölkerung sei gegen die Partei des Präsidenten. Chávez erklärte nach seinem Wahlsieg, man müsse auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen und dabei effizienter vorgehen. "Ich verspreche euch, ein besserer Präsident zu sein."

Seit seinem Amtsantritt 1999 stilisierte sich Chávez zu einem "antiimperialistischen" Vorkämpfer und hat aus den Öleinnahmen des Landes umgerechnet viele Milliarden Euro in Sozialprogramme gesteckt, um sein "Projekt des Sozialismus des 21. Jahrhunderts" voranzutreiben. Sein Sieg wird vermutlich zu mehr Investitionen von verbündeten Ländern wie China, Russland oder dem Iran führen, während sich Firmen aus dem westlichen Ausland eher zurückhalten. Die Wall Street hatte auf einen Sieg Capriles' gehofft, sodass die Preise für venezolanische Staatsanleihen unter Druck geraten könnten. Auch die politischen Beziehungen zu den USA dürften angespannt bleiben. Dagegen äußerten sich Chavez' Verbündete in Lateinamerika erleichtert. "Dein Sieg ist unser Sieg! Und der Sieg Südamerikas und der Karibik", erklärte die argentinische Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Die Wahlbeteiligung erreichte mit mehr als 80 Prozent einen Rekordwert. Chavez' Gegner nennen die Entscheidung unfair, weil der Präsident die Macht der Behörden für den Wahlkampf nutzte. So mussten alle Sender Reden übertragen, in denen er stundenlang über die Vorzüge des Sozialismus redete.

Der Gesundheitszustand des Staatsoberhauptes könnte weitere Verstaatlichungen und Sozialprogramme verhindern. Der Präsident musste sich seit Mitte des vergangenen Jahres drei Krebsoperationen unterziehen. Eine Chemotherapie führte zu Haarausfall und Erschöpfung. Am Tiefpunkt der Erkrankung fürchtete Chávez sogar um sein Leben. Der Politiker war auch während des Wahlkampfes von seiner Krankheit gezeichnet und wirkte geschwächt. Dennoch absolvierte er die Veranstaltungen mit viel Energie und konnte dabei auch tanzen, singen und Gitarre spielen.

Sollte es in den kommenden Jahren Hinweise geben, dass sich Chavez' Zustand wieder verschlechtert, dürfte es in seiner Sozialistischen Partei umgehend eine Nachfolgedebatte geben. Infrage kämen Parlamentspräsident Diosdado Cabello, Außenminister Nicolas Maduro oder Vizepräsident Elias Jaua. Aber keiner von ihnen ist nur annähernd so beliebt wie Chávez, sodass Capriles bei einer Neuwahl als Sieger hervorgehen könnte.

Große Herausforderungen stehen vor jedem, der Venezuela künftig regieren will. Das Land verfügt zwar über riesige Erdölreserven. Nach offiziellen Angaben sind es mit schätzungsweise 300 Milliarden Barrel sogar die größten der Welt. Der Barrel-Preis von über 100 Dollar lässt die Staatseinnahmen des Opec-Mitgliedstaates sprudeln. Ölexporte machen über 95 Prozent der Exporterlöse aus und die Öleinnahmen füllen zu etwa 50 Prozent die Staatskasse. Benzin wird in Venezuela hoch subventioniert und fast verschenkt. Doch muss das Land Sprit importieren, denn die Raffineriekapazitäten reichen nicht. Die Venezolaner leiden unter einer exorbitanten Inflationsrate, die 2011 über 27 Prozent erreichte. Zudem hat das Land eine hohe Kriminalitätsrate. In Caracas sind 50 bis 60 Morde an einem Wochenende keine Seltenheit. Nach Angaben einer Nichtregierungsorganisation wurden 2011 mehr als 19 300 Morde in Venezuela registriert.