Die Konflikte beim EU-China-Gipfel wurden ausgeklammert. Der 70-jährige Regierungschef Wen Jiabao wurde in Brüssel dankend in den künftigen Ruhestand verabschiedet.

Brüssel. Es war der letzte große Auftritt für Wen Jiabao (70) in Brüssel. Der scheidende chinesische Regierungschef war gekommen, um sich als guter Freund der Europäischen Union danken und feiern zu lassen. Nach zehn EU-China-Gipfeln, nach dem rasanten Aufstieg Chinas zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt und nach Europas Vorrücken auf den ersten Platz der chinesischen Handelspartner wollten die Europäer Wen würdig verabschieden.

„Wir danken Ihnen für Ihre starke Unterstützung der Beziehungen zwischen der EU und China“, sagte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. „Wen ist ein wahrer Freund Europas“, formulierte José Manuel Barroso, Präsident der EU-Kommission, vor Unternehmern. Der von ihm Gelobte saß hinter ihm und nickte zustimmend.

Wens Botschaft an die Europäer lautete: „Es ist nur natürlich, dass wir unterschiedliche Ansichten zu manchen Fragen haben.“ Aber, so sagte er ohne das Wort Japan auszusprechen, mit Europa gebe es „keine offenen Fragen der Vergangenheit“. Und das bedeute: „Wir stehen vor großen Möglichkeiten.“ Tatsächlich ist auch in den vergangenen zehn Jahren unter Wens Ägide nicht nur China zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt geworden und zum zweitwichtigsten Handelspartner der EU. Auch wissen beiden Seiten jetzt, dass sie zunehmend aufeinander angewiesen sind.

Wo es viel Handel gebe, da gebe es auch manchmal Ärger, heißt es bei der EU. China hat im vergangenen Jahr Waren für 292 Milliarden Euro in die EU geliefert – das sind 17 Prozent aller EU-Einfuhren. Die EU hat für 136 Milliarden Euro nach China exportiert, vor allem Maschinen. Gemessen am Volumen des Handels sei die Zahl der Konflikte erstaunlich gering, sagt ein Diplomat.

Derzeit ermittelt die EU gerade, ob China Solarpaneele zu Dumpingpreisen auf den EU-Markt wirft. Kein Wunder also, dass Wen mahnte, man solle bei Entscheidungen über mögliche Strafmaßnahmen sehr zurückhaltend sein. Und es war auch nicht überraschend, dass er erneut die Aufhebung des 1989 verhängten EU-Waffenembargos verlangte - erfolglos.

Keinerlei Bewegung gab es in den Positionen der beiden Seiten zum Atomkonflikt mit dem Iran und zur Krise in Syrien. Und mit Sorge bat die EU-Spitze Wen, den Konflikt um eine Inselgruppe im Ostchinesischen Meer zu deeskalieren. „Es ist wichtig, dass sich jetzt jede Seite bemüht, die Lage zu beruhigen und diesen Streit in einen strukturierten diplomatischen Dialog zu überführen“, sagte ein EU-Diplomat. „Die EU hat ein riesiges Interesse an Stabilität in der gesamten Region Asien.“

Ein reines Freudenfest wurde der Gipfel für Van Rompuy und Barroso dennoch nicht. Pekings starker Mann schaffte es, immer fein lächelnd und schon zum dritten Mal, sich allen Fragen der in Brüssel arbeitenden Journalisten zu entziehen. Nicht nur das. Auch das EU-Spitzenduo verzichtete auf eine eigene Pressekonferenz. Der Terminplan erlaube das leider nicht, bedauerte eine Sprecherin der Kommission. Reportern wurde geraten, sich offizielle Erklärungen im Fernsehen anzuschauen.

Mit dem Durchsetzen chinesischer Gepflogenheiten im Umgang mit Medien machte Wen aber deutlich, dass China und die Europäische Union in wichtigen Fragen nach wie vor weit voneinander entfernt sind. Beim Thema Menschenrechte tun sich beide Seiten seit langem – und immer noch – schwer miteinander. Chinas brutales Vorgehen in Tibet und die mannigfaltige Verfolgung von Oppositionellen im ganzen Land lasten schwer auf den Beziehungen. Es gebe halt unterschiedliche historische und kulturelle Erfahrungen, sagte Wen auch am Donnerstag. Er lächelte.