Der chinesisch-japanische Konflikt um eine Inselgruppe alarmiert die US-Regierung. Fischerflotte läuft in umstrittenes Seegebiet.

Hamburg. Die islamische Welt ist im antiamerikanischen Aufruhr, Israel droht mit einem Krieg gegen den Iran, in den Washington hineingezogen werden würde - da fehlt der US-Regierung gerade noch ein eskalierender Konflikt in seiner Interessenzone Ostasien.

Der sich zuspitzende Streit zwischen China und Japan um eine kleine Inselgruppe, die auf japanisch Senkaku und auf chinesisch Diaoyu heißt, hat die USA alarmiert. Bei einem Besuch in Tokio mahnte US-Verteidigungsminister Leon Panetta beide Seiten zur Zurückhaltung. "Wir sind wegen der Demonstrationen und wegen des Konflikts sehr besorgt", sagte Panetta. Es sei "extrem wichtig", dass beide Seiten diplomatische Mittel nutzten, um die Angelegenheit "konstruktiv" zu bereinigen.

Nach Jahrzehnten relativer Ruhe war der alte Inselstreit unvermittelt wieder ausgebrochen. Am vergangenen Wochenende hatten Tausende Chinesen in Peking und mehr als zwei Dutzend weiteren Städten gegen Japan protestiert. Vor der japanischen Botschaft in Tokio war es zu Gewaltakten gekommen, japanische Flaggen wurden verbrannt, Steine gegen die Botschaft geworfen. In der Hafenstadt Qindao steckten Randalierer eine Toyota-Niederlassung in Brand, in Changsha wurde ein Warenhaus der Kette Heiwado geplündert. Auch zahlreiche japanische Supermärkte wurden in chinesischen Städten ausgeraubt, Scheiben wurden eingeschlagen. Insgesamt wurden ein Dutzend japanischer Konzerne angegriffen, darunter Canon und Panasonic. Beide Firmen setzten ihre Produktion in China vorübergehend aus. Die chinesischen Behörden nahmen zahlreiche Demonstranten fest; die Regierung in Peking sicherte japanischen Bürgern und ihrem Besitz in China Schutz zu. In den chinesischen Staatsmedien hieß es, die Bürger sollten ihren Patriotismus auf friedliche Art zeigen. Auch die Internetzensur wurde verschärft - Suchbegriffe wie "antijapanische Proteste" wurden gesperrt.

Zugleich jedoch drohte China Japan mit Wirtschaftssanktionen. Zum Beispiel könnten die Importe strategisch wichtiger Materialien nach Japan davon betroffen sein, hieß es in der kommunistischen Parteizeitung "People's Daily". China sei entschlossen, notfalls die Konsequenzen eines Handelskrieges zu tragen, der für Japan sehr viel "katastrophaler" wäre und der dessen Wirtschaft 20 Jahre lang beeinträchtigen könnte. Wie ein Sprecher des chinesischen Landwirtschaftsministeriums bestätigte, sei eine Flotte von 1000 Fischerbooten in das umstrittene Seegebiet ausgelaufen. Dies könnte zu neuen Komplikationen führen - 2010 hatte die japanische Küstenwache dort ein chinesisches Fischerboot aufgebracht und den Kapitän festgenommen. Der Vorfall hatte die bilateralen Beziehungen stark belastet.

Der Streit hatte sich jüngst zugespitzt, nachdem Japans Regierung bekannt gegeben hatte, dass man die umstrittenen Inseln von privaten Besitzern zurückkaufen wolle. 1932 hatte Tokio die Inseln an private Siedler veräußert. Seit 40 Jahren kontrolliert Japan diese Inseln, die im Zweiten Weltkrieg von den USA erobert und bis 1972 verwaltet worden waren. Die Inselgruppe, die 200 Kilometer nordöstlich von Taiwan im Ostchinesischen Meer liegt, fiel nach der Niederlage Chinas im chinesisch-japanischen Krieg 1895 unter die Kontrolle Tokios. Peking verweist auf alte Karten aus der Ming-Zeit (1368-1644), aus denen hervorgehen soll, dass die Inseln seit Jahrhunderten zu China gehören. In dem umstrittenen Seegebiet gibt es fischreiche Gründe, dort werden aber auch reiche Öl- und Gasvorkommen vermutet. Eine Einigung scheitert an Wirtschaftsinteressen und am Nationalstolz der Beteiligten.

In anderen Teilen des Ostchinesischen Meeres sowie im Südchinesischen Meer beansprucht China ebenfalls mehrere Inselgruppen und ist damit in Konflikt mit Taiwan, Malaysia, den Philippinen, Vietnam, Südkorea und Brunei geraten. China versucht, mit einem aggressiven Kurs zur dominierenden Macht in diesen Seegebieten aufzusteigen. Gestern verkündeten die USA und Japan die Einigung auf die Einrichtung eines hochmodernen Raketenabwehrsystems. Offiziell gegen Nordkorea gerichtet, stellt es zugleich eine Herausforderung an Peking dar.