In einer PR-Offensive hakt Russlands Präsident die Themen Syrien, Pussy Riot und Bürgerrechte ab. Und rettet nebenbei noch sibirische Kraniche

Moskau. Die Sommerpause ist vorbei, der russische Präsident Wladimir Putin betritt wieder die internationale Politik-Arena. Gestern reiste er nach Wladiwostok im fernen Osten zum Gipfeltreffen der Apec, der asiatisch-pazifischen Wirtschaftsgemeinde. Heute wird er dort Chinas Staatschef Hu Jintao und die US-Außenministerin Hillary Clinton begrüßen. Russland will in Wladiwostok Stärke zeigen, 16,5 Milliarden Euro kostet der Gipfel. Auf der kleinen Insel Russki mit etwa 5000 Einwohnern wurde für das Apec-Treffen praktisch aus dem Nichts ein Business-Zentrum gebaut. Und zwischendurch präsentiert sich der Kreml-Chef wieder einmal so, wie er sich offenbar am liebsten sieht: als Abenteurer und Draufgänger, in diesem Fall als Retter einer seltenen Kranich-Art.

Just vor dem Apec-Treffen, nach längerer Medien-Abstinenz, erschien beim staatlichen Sender Russia Today sein erstes Fernsehinterview seit der Amtseinführung. Sowohl im Ausland als auch in Russland wird er für die unfairen Parlaments- und Präsidentenwahlen, die Verschärfung des Versammlungsrechts, die russische Position im Syrien-Konflikt sowie die Einschüchterung der Opposition verantwortlich gemacht. Nun wollte er offenbar in einem Gespräch mit dem Sender, der immer wieder für seine Kreml-nahe Position kritisiert wird, die meisten dieser unbequemen Fragen abhaken.

Er bediente sich dabei der seit den Zeiten des Kalten Krieges beliebten Strategie, seinen Kritikern vorzuwerfen, nicht besser als Russland zu sein. Gefragt nach der Liste russischer Beamter, denen im Zusammenhang mit dem Tod des Anwalts Sergej Magnitski in mehreren Ländern Sanktionen drohen, erinnerte Putin daran, dass es in den USA die Todesstrafe gibt. Ausführlich ging er auf dem Fall der Punk-Band Pussy Riot ein, deren drei Musikerinnen für ihren Auftritt in der Christus-Erlöser-Kathedrale zu jeweils zwei Jahren Haft verurteilt wurden. Die Rechtmäßigkeit des Gerichtsurteils wolle er nicht kommentieren. Er mische sich in diesen Fall nicht ein und wisse überhaupt nicht, ob die Anwälte Berufung eingelegt hätten. Den Auftritt nannte Putin - wie viele Kritiker - einen Hexensabbat und machte den Moderator darauf aufmerksam, dass der Name der Band anstößig klingt. "Der Staat ist verpflichtet, die Gefühle von Gläubigen zu schützen", resümierte Putin.

Allerdings zeigte der Präsident, dass er bis ins Detail die Aktionen der Künstlergruppe Woina kennt, zu der Pussy-Riot-Musikerin Nadeschda Tolokonnikowa früher gehörte. Er erinnerte an den Gruppensex im Moskauer Biologischen Museum, an dem Tolokonnikowa und ihr Mann Petr Wersilow teilgenommen hatten, und machte einen seiner üblichen Macho-Witze: "Einige sagen, Gruppensex sei besser als individueller Sex, weil man wie bei jeder kollektiven Arbeit fahrlässig sein kann." Er sprach auch von der anderen Aktion von Woina, bei der in einem Supermarkt Ausländer und Homosexuelle "erhängt" wurden. Der Präsident behauptete, dabei sei mit einem Plakat zur Vertreibung von Homosexuellen, Juden und Ausländern aus Moskau aufgerufen worden. Tatsächlich war die Aktion als Parodie gedacht.

Die Situation in Syrien verglich der russische Staatschef mit dem Krieg in Afghanistan: "Unsere heutigen Partner unterstützten dort die Rebellen und schufen al-Qaida, die später die USA angriff." Wenn jemand Al-Qaida-Kämpfer in Syrien nutzen wolle, solle man die Tore des Gefängnisses in Guantánamo öffnen und alle Häftlinge nach Syrien schicken, so Putin. Jetzt sollten alle Seiten des Konflikts zu Verhandlungen gezwungen, die Waffenlieferungen nach Syrien eingestellt werden.

Putin äußerte sich auch zum Wahlkampf in den USA: Wenn der Republikaner Mitt Romney an die Macht komme, werde der Raketenschild in Europa gegen Russland gerichtet. Allerdings sei er bereit, auch mit Romney zu arbeiten, sagte er.

Das war nicht der einzige Fernsehauftritt Putins vor dem Gipfeltreffen. Auf dem Weg nach Wladiwostok machte er einen Zwischenstopp auf der Jamal-Halbinsel und nahm an einer Aktion zur Rettung der sibirischen Kraniche teil. Wieder wollte sich der russische Präsident in der wilden Natur als starker Mann inszenieren, diesmal als Pilot eines motorisierten Drachens und Leiter eines Vogelschwarms.

Eine vom Aussterben bedrohte Art von Kranichen wird in Gefangenschaft gezüchtet, dann werden junge Vögel von einem Drachen in ihre Winterquartiere im zentralasiatischen Usbekistan geführt. Diese Rolle des "Leittiers" hat der russische Präsident übernommen - er musste sich sogar ein weißes Kostüm anziehen, damit die Kraniche ihn für einen großen Vogel halten.

"Schöne Jungs und ein angenehmes Gefühl", sagte Putin nach der Landung. Das Adrenalin sei ihm durch den Körper geschossen, als er am Steuer des Drachens gesessen habe. Es ist allerdings fraglich, ob sich die Mehrheit der Russen für die Aktion interessiert.

Im Internet sorgte sie jedenfalls für reichlich Kritik und Spott. So wurden bei Twitter und Facebook diverse mit Photoshop erstellte Bilder eingestellt, die etwa Putin mit nacktem Oberkörper zeigen - auf einem Vogel reitend.