Russlands Präsident geht noch härter gegen Organisationen vor als gegen Pussy Riot

Hamburg/Moskau. 14 Aktivisten von Greenpeace hatten sich an das Schiff gekettet, das Arbeiter von Gazprom zur russischen Bohrinsel "Priraslomnaja" bringen sollte. Sechs Umweltschützer waren bereits an der Plattform, um auf die ersten größeren Bohrungen in der Arktischen See und die möglichen Gefahren aufmerksam zu machen. Das Eis der Arktis schmilzt. Die Russen wollen das Öl ausbeuten. Die Gefahr einer Ölpest und das Risiko leckgeschlagener Pipelines, sagt Greenpeace, sei hier enorm. Die Notfallpläne der Gazprom-Tochter seien lächerlich.

Doch die Russen kannten keine Gnade. Mit Wasserwerfern gingen sie gegen die Greenpeace-Mitarbeiter vor. Was mit ihnen im eiskalten Wasser geschah, war den Arbeitern gleich. Und das war nur ein Vorgeschmack auf das, was Umweltschützern und all den Organisationen in Präsident Wladimir Putins Reich droht, wenn sie gegen den Kreml und seine Pläne aufbegehren.

Der international heftig kritisierte Prozess gegen die Punkband Pussy Riot war nur der Anfang. Zwei Mitglieder der Kombo flohen ins Ausland. Und Greenpeace beklagt stellvertretend für andere eine regelrechte Bedrohung. In einem Brief an Spender, die sich ausdrücklich in Russland engagieren, weist Greenpeace auf eine dramatische Entwicklung hin. So gelten alle Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) mit Kontakten zu ausländischen Geldgebern als Agenten. Auf allen Broschüren und Internetseiten müsse stehen: "Organisation im Auftrag ausländischer Agenten".

Die NGOs müssten regelmäßig Berichte ans Justizministerium liefern, alle Verlautbarungen und Aktionen lange vorher anmelden sowie Wirtschaftsprüfer beauftragen, die nach russischem und internationalem Recht prüfen. Diese Experten werden in Russland exorbitant hoch bezahlt. Allein die Kosten dafür können die meisten Organisationen nicht schultern. Zudem werden Spenden aus dem Ausland pauschal mit 25 Prozent besteuert.

Während Greenpeace die strengen Regeln durch ein bewährtes Netzwerk abmildern kann, droht kleineren Menschenrechtsorganisationen und Umweltschützern das Aus. Schon eine falsche Behauptung über einen Politiker kann mit umgerechnet 120 000 Euro Strafe belegt werden. Greenpeace-Geschäftsführerin Brigitte Behrens bestätigte dem Abendblatt die Befürchtungen. "Die neue Gesetzeslage ist eine Drohung an alle NGOs." Man müsse sich zukünftig überlegen, welches Risiko man noch eingehen kann. Die Protestaktionen in der Arktischen See seien lebensgefährlich gewesen. "Wir werden trotzdem nicht aufhören, Umweltprobleme anzuprangern."