Ministerpräsident Samaras bittet vor seinem Besuch bei der Kanzlerin um deutsche Solidarität. Nur Grüne und SPD wollen ihm entgegenkommen.

Berlin. Antonis Samaras will dieser Tage alles tun, um die politischen Gemüter in Deutschland zu beruhigen. Schließlich kommt er morgen nach Berlin, trifft Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und wird ihr persönlich beibringen, was er gestern via "Bild"-Zeitung der deutschen Öffentlichkeit mitteilte: Griechenland braucht mehr Zeit. "Alles, was wir wollen, ist ein wenig Luft zum Atmen, um die Wirtschaft rasch in Gang zu bringen und die Staatseinnahmen zu erhöhen", sagte der griechische Ministerpräsident. "Mehr Zeit bedeutet nicht automatisch mehr Geld."

Wie gesagt, eigentlich wollte Samaras damit beruhigend auf die Bundesregierung einwirken. Schließlich forderte Samaras keine weiteren Hilfsmilliarden für sein schuldengeplagtes Land. Doch ein Blick auf die heftigen Reaktionen aus dem Regierungslager zeigt: Er hat das Gegenteil bewirkt. Sein Besuch in der Hauptstadt verspricht, in frostiger Atmosphäre stattzufinden. Merkel wird Samaras kaum nachgeben dürfen, wenn sie ihre eigene Koalition nicht vor den Kopf stoßen will. Denn FDP und Union signalisierten gestern umgehend, dass sie nicht bereit sind, Griechenland mehr Zeit für Reformen zu geben. "Die Kernzeitachse, die das Reformprogramm bis 2014 festlegt, darf nicht verschoben werden", mahnte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle. Über Samaras sagte der Liberale: "Er möge die Zusagen, die er gegenüber der Troika gemacht hat, nun endlich auch einhalten."

Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) schloss "Nachbesserungen" am Terminplan kategorisch aus. Sicher ist, dass der EU nur noch wenige Wochen bleiben, um Griechenlands weiteren Weg lenken zu können. Frühestens im Oktober solle über die Hilfen für Griechenland entschieden werden, hatte Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker gesagt, bevor er gestern in Athen mit Samaras zusammenkam. Die Troika mit Vertretern der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds will im September ihren neuen Bericht zur Lage in Griechenland fertigstellen. Immer wieder heißt es, die Troika-Experten planten, der Regierung in Athen ein verheerendes Zeugnis auszustellen. Es sind nur Spekulationen, die allerdings das Klima zwischen EU und Griechenland weiter belasten.

Anders als Brüderle und Kauder kann sich die Opposition durchaus vorstellen, Griechenland länger als vorgesehen zu stützen. "Griechenland sollte ein drittes Hilfsprogramm erhalten", forderte der europapolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Manuel Sarrazin. Dem Abendblatt sagte der Harburger Abgeordnete: "Der Staat wird sich bis 2014 nicht wieder selbstständig finanzieren können. Wir sollten Griechenland bis 2016 vom Markt nehmen und das Land damit zwei Jahre länger als geplant finanzieren." Wenn Griechenland strukturelle Reformen angehe, müsse man dem Land entgegenkommen und das Land länger stützen. "Die Neuwahl-Situation hat Zeit gekostet. Man muss der Regierung eine Chance geben", so Sarrazin. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte der Nachrichtenagentur Reuters, es müsse möglich sein, "mit den Griechen jetzt auch wieder zu verhandeln".

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Die Linkspartei warnte hingegen vor Zugeständnissen. "Wir sagen Nein zu allem, was auf neue Geldspritzen hinausläuft", sagte Parteichefin Katja Kipping dem Abendblatt. Sie kritisierte, dass Griechenland bis heute nicht konsequent gegen Kapitalflucht und Steuerhinterziehung vorgehe. "Reiche Griechen verschieben ihr Geld in die Schweiz, die Beschäftigten und Erwerbslosen in Griechenland und im Rest Europas haften dafür." Der griechische Staat sollte seine Liquiditätsprobleme durch eine einmalige Solidarabgabe von 50 Prozent auf Vermögen über eine Million Euro lösen, schlug Kipping vor. "Das könnte einen europäischen Trend setzen." Zugleich warf sie der Bundesregierung vor, die griechische Pleite auf die Zeit nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr verschieben zu wollen. "Ich warne vor einem Wahlbetrug der teuersten Sorte, weil die deutschen Steuerzahler für diese Pleite haften."

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Auch Grünen-Europapolitiker Sarrazin zeigte sich unzufrieden mit den bisherigen Maßnahmen Griechenlands. Das Land habe in den vergangenen zweieinhalb Jahren die Ausgaben gekürzt, aber zu wenig die Einnahmestrukturen reformiert. Er forderte Reformen "in vielen Bereichen": bei der Wettbewerbsfähigkeit und Rechtssicherheit, beim Abbau bürokratischer Investitionshindernisse und in der öffentlichen Verwaltung. Er hoffe, so Sarrazin, dass Frau Merkel Herrn Samaras sage, dass Griechenland seine Reformen angehen müsse. "Merkel sollte Samaras aber auch sagen: Wenn das Land sich bewegt, bewegen wir uns auch."

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Auf derartige Signale der Solidarität hatte Samaras offenbar gehofft, bevor er per Zeitungsinterview um mehr Zeit bei den Konsolidierungshilfen bat. Nur dass die Opposition und nicht die schwarz-gelbe Koalition auf ihn eingehen will, bringt den griechischen Premier vorerst nicht weiter. An der Kanzlerin wird es liegen, ob die Pleite Griechenlands weiter hinausgeschoben wird. Angeblich könne der Staat schon im September wieder an den Punkt der Zahlungsunfähigkeit kommen, wird gemutmaßt. Man werde am Freitag keine Lösungen finden, "sondern wir warten auf den Bericht der Troika. Dann werden die Entscheidungen getroffen", sagte Merkel gestern. Sie will also erst einmal zur Kenntnis nehmen, was Samaras vorzubringen hat. Der Premier wiederum mahnte positives Denken an. "Griechen und Deutsche haben viel gemeinsam. Auch wir können eine Tragödie in eine Erfolgsgeschichte verwandeln", sagte er und warnte vor Unruhen in seinem Land, sollte es die Euro-Zone verlassen und zur Drachme zurückkehren: "Ein Albtraum für Griechenland."