Westerwelle gegen Abstriche bei Reform in Griechenland. Entscheidungen nach Troika-Bericht

Berlin. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hat sich gegen eine "substanzielle Aufweichung" des Reformpakets für Griechenland ausgesprochen. Dies sei aus Sicht der Bundesregierung nicht möglich, sagte er nach einem Treffen mit dem griechischen Außenminister Dimitris Avramopoulos gestern in Berlin. Die Bundesregierung wolle, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibe, und werde dafür arbeiten. Der Schlüssel dafür liege aber in Athen. Zugleich rief Westerwelle dazu auf, den Troika-Bericht abzuwarten: "Man urteilt erst, wenn man die Fakten kennt." Das Gremium aus Internationalem Währungsfonds (IWF), der Europäischen Zentralbank (EZB) und der EU-Kommission prüft derzeit, ob die Regierung in Athen die für das zweite Griechenland-Hilfspaket gemachten Reformzusagen umgesetzt hat. Mitte September will sie ihr Urteil abgeben.

Bei dem Gespräch Westerwelles mit Avramopoulos wurde auch das Treffen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem griechischen Premier Antonis Samaras am Freitag in Berlin vorbereitet. Beide Minister warnten davor, mit populistischen Äußerungen Europa insgesamt zu beschädigen. Westerwelle sagte: "Es ist sicher leicht, mit der Hacke der Kritik das europäische Haus einzureißen. Aber viel schwerer ist es, das Haus wieder zu errichten."

Sein griechischer Kollege bekräftigte, dass seine Regierung die internationalen Auflagen erfüllen wolle, und kündigte ein Reformpaket in Höhe von 11,7 Milliarden Euro in den nächsten Wochen an. Sein Land müsse an Taten, nicht an der Zeit gemessen werden, sagte er auf die Frage, ob Griechenland mehr Zeit für die Reformen benötige.

Griechenland hat sich in einer Absichtserklärung ("Memorandum of Understanding", MoU) gegenüber den Geldgebern verpflichtet, mehr als 200 Forderungen als Gegenleistung zu den Finanzhilfen zu erfüllen. So soll bis 2014 das Defizit unter die Obergrenze von 3,0 Prozent der Wirtschaftskraft gedrückt werden - von schätzungsweise 9,3 Prozent in diesem Jahr.

Bis Ende des zweiten Quartals sollte dazu eine Finanzlücke für die Jahre 2013 und 2014 durch Einsparungen im Umfang von 11,5 Milliarden Euro geschlossen werden. Es ist bisher völlig offen, wie dies erbracht werden soll. Laut dem Magazin "Der Spiegel" fehlen der Regierung in den beiden kommenden Jahren sogar bis zu 14 Milliarden Euro. Befürchtet wird, dass die Auflagen deutlich verfehlt werden. Das von der Pleite bedrohte Land will sich wegen der lahmenden Wirtschaft nach Medienberichten mehr Zeit beim Sparen nehmen und das Sparprogramm erst bis 2016 umsetzen.

Unions-Politiker und FDP-Generalsekretär Patrick Döring hatten betont, es sei unabdingbare Voraussetzung für weitere Finanzhilfen an das Land, dass Griechenland seine Zusagen wirklich einhalte. Sowohl das Finanz- als auch das Außenministerium betonten, dass höchstens über eine andere Prioritätensetzung innerhalb des griechischen Reformprogramms gesprochen werden könne, nicht aber über die Ziele. "Eine Abweichung von der Substanz des MoU kommt nicht infrage", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts. Darüber bestehe innerhalb der Bundesregierung Einigkeit.

Regierungssprecher Steffen Seibert widersprach der Erwartung, dass bereits bei den Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Frankreichs Präsidenten François Hollande am Donnerstag oder am Freitag mit dem griechischen Ministerpräsidenten Antonis Samaras eine Entscheidung über weitere Griechenland-Hilfen fallen könnte. "Es ist nicht zu erwarten, dass da große Weichen gestellt und wesentliche Entscheidungen gefällt werden", sagte Seibert. Grundlage einer Entscheidung sei allein der Troika-Bericht.

Die SPD warf Union und FDP vor, mit ihrer Debatte über Griechenland unnötig für Unsicherheit zu sorgen. "Das ganze Gequatsche aus der Koalition macht die Leute verrückt und schürt Ängste", sagte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß der "Welt".