Jugendliche zündeten Autos an und schossen auf Polizisten. Präsident Hollande schickt Innenminister nach Amiens. Etat für Polizei wird erhöht.

Amiens. Gut 100 Tage nach Amtsantritt von Frankreichs neuem Präsidenten François Hollande reißt ein Déjà-vu der schweren Jugendkrawalle vergangener Jahre das Land aus der Sommerruhe. Der in vielen Vororten französischer Städte schwelende Konflikt mit der Polizei eskalierte in der Nacht zum Dienstag in Amiens im Norden. Dort zündeten etwa 100 Jugendliche Autos an und schossen auf Polizisten. Den Behörden zufolge wurden 16 Beamte verletzt, einer von ihnen schwer. Der Sozialist Hollande entsandte Innenminister Manuel Valls nach Amiens und kündigte an, mit allen Mitteln für Ruhe und Ordnung zu sorgen.

Auslöser der jüngsten Zusammenstöße war die Verärgerung über Polizeikontrollen. Die betroffenen Jugendlichen sollen sie als ungerechtfertigt erachtet und daraufhin die Ausschreitungen initiiert haben. Bereits Sonntagabend und Anfang August war es in der Stadt zu kleineren Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und der Polizei gekommen. Die Randalierer hätten zum Teil Autofahrer aus ihren Fahrzeugen gezerrt und die Autos dann in Brand gesetzt. Auch eine Schule, ein Freizeitzentrum und eine Turnhalle wurden durch Flammen beschädigt. Den Sachschaden bezifferte der Bürgermeister auf mindestens eine Million Euro.

Die Polizei bekam die Lage erst nach mehreren Stunden unter Einsatz von Tränengas und Gummigeschossen unter Kontrolle. Die Randalierer schossen mehrfach mit Feuerwerkskörpern und Schrotmunition auf die Polizei. Festnahmen gab es allerdings nicht.

Für den Präsidenten gelten die Ausschreitungen als die erste Bewährungsprobe im Bereich der inneren Sicherheit, wo sich sein konservativer Vorgänger Nicolas Sarkozy mit seiner Politik der harten Hand nicht nur Freunde gemacht hatte. Hollande kündigte an, im Kampf gegen die Gewalt sämtliche Mittel zu mobilisieren. Konkret bedeute dies, dass im kommenden Haushalt zusätzliche Gelder für die Polizei eingeplant würden. "Die Gewalt gegenüber der Polizei, die ausgebrannten Gebäude und die Menschen in Angst sind inakzeptabel", sagte Hollande. Der bei den Präsidentenwahlen im Mai über Sarkozy siegreiche Hollande hat mit einer Wirtschaft am Rande der Rezession, leeren Staatskassen und hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen.

Von der Aussichtslosigkeit auf dem Arbeitsmarkt besonders stark betroffen sind die Jugendlichen in den heruntergekommenen Vororten mehrerer Städte Frankreichs. Die Wut der Bewohner speist sich zudem aus einem Gefühl der Entfremdung von der übrigen Gesellschaft und dem latenten Dauerkonflikt mit der Polizei. Die schwersten Krawalle gab es bisher 2005. Wegen der über Wochen anhaltenden Gewalt rief die Regierung damals den Notstand aus. Eine Debatte über die sozialen Brennpunkte in den Vororten und die Integration von Immigranten vor allem aus Afrika begann. Auch 2007 und 2010 gab es größere Zusammenstöße.