Italiens Regierungschef fordert mehr Handlungsfreiheit gegenüber den Parlamenten, Bayerns Finanzminister den Euro-Austritt Athens

Berlin/Hamburg. Bei ihrer Suche nach einem Ausweg aus der Euro-Finanzkrise streiten Europas Politiker jetzt über demokratische Grundprinzipien. Italiens Premierminister Mario Monti monierte, dass der Einfluss der nationalen Parlamente eine Gefahr für den Euro darstelle. "Wenn sich Regierungen vollständig durch die Entscheidungen ihrer Parlamente binden ließen, ohne einen eigenen Verhandlungsspielraum zu bewahren, wäre das Auseinanderbrechen Europas wahrscheinlicher als eine engere Integration", sagte der italienische Regierungschef dem "Spiegel". Zwar müsste sich die Regierung nach den Entscheidungen des Parlaments richten, aber sie habe auch die Pflicht, das Parlament zu erziehen.

Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok pflichtet ihm bei: "Mario Monti hat vollkommen recht. Regierungen brauchen Verhandlungsspielräume, wenn sie Einfluss haben wollen", sagte Brok der "Welt". Wenn die Regierungen nur den Maßgaben ihrer Parlamente folgten, wären Kompromisse im Rat unmöglich und die EU handlungsunfähig. "Übertreiben die Regierungen dabei, verlieren sie ihre parlamentarische Mehrheit." Brok schränkte aber ein: "Eine Ausnahme bleibt die Haushaltshoheit des Bundestags, ganz besonders in der derzeitigen Krise."

In Deutschland löste Monti mit seinen Äußerungen Empörung aus. "Die Gier nach deutschen Steuergeldern treibt bei Herrn Monti undemokratische Blüten", sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt der "Welt". "Herr Monti braucht offenbar die klare Ansage, dass wir Deutsche nicht bereit sein werden, zur Finanzierung der italienischen Schulden unsere Demokratie abzuschaffen. Wir dürfen nicht zulassen, dass durch die Euro-Krise diejenigen die Oberhand gewinnen, die Parlamentsrechte und demokratische Kontrolle als Störfaktoren ansehen", warnte Dobrindt. Montis Anschlag auf die Demokratie dürfe sich nicht durchsetzen, "sonst haben wir bald italienische Verhältnisse in ganz Europa".

Gleichzeitig attackiert die CSU scharf die Krisenpolitik Athens. Griechenland soll die Euro-Zone nach dem Willen von Bayerns Finanzminister Markus Söder schnellstens verlassen. "Nach meiner Prognose sollte Griechenland bis Jahresende ausscheiden. Jede neue Hilfsmaßnahme, jede Lockerung der Auflagen wäre der falsche Weg", sagte der CSU-Politiker der "Bild am Sonntag". Söder fügte hinzu, an Athen müsse "ein Exempel statuiert werden, dass diese Euro-Zone auch Zähne zeigen kann". Die Deutschen könnten nicht länger der Zahlmeister für Griechenland sein. "Weitere Hilfen für Griechenland ist wie Wasser in der Wüste vergießen. Schuld an den Problemen in Griechenland sind die Griechen und sonst keiner." Söder rechnet für den Fall eines Verbleibs Griechenlands im Euro mit einem erheblichen wirtschaftlichen Schaden für Deutschland. Er verwies auf die Signalwirkung eines Ausscheidens für andere schuldengeplagte Euro-Länder wie Italien und Spanien: Diese müssten sehen, was passiert, wenn man seine Schulden nicht zahlt. Er fügte hinzu: "Irgendwann muss jeder bei Mama ausziehen, und die Griechen sind jetzt so weit."

Unterstützung erhielt Söder von Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP). Alle Schuldenländer, insbesondere Griechenland, müssten endlich ihre Hausaufgaben machen und die vereinbarten Zusagen einhalten, erklärte Zeil. "Wer nicht in der Lage ist, die für alle aufgestellten Regeln zu erfüllen, muss die Euro-Zone verlassen." Anders sei eine Stabilitätskultur in Europa nicht herzustellen. Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) hat das Verhalten Griechenlands in der Euro-Krise scharf kritisiert. "Griechenland ist ein Klotz am Bein bei der Euro-Rettung", sagte Bode der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung".

Widerspruch kam aus der CDU. Ein Euro-Austritt sei eine Entscheidung Athens, "und das Letzte, was man da braucht, sind Ratschläge aus Deutschland", sagte Unionsfraktionsvize Michael Meister dem "Tagesspiegel". Eine Austrittsdebatte sei schädlich und trage nicht zur Lösung der Probleme bei.

Die Angriffe aus der CSU richten sich auch gegen den Rettungskurs von EZB-Präsident Mario Draghi, der sich grundsätzlich dazu bereit erklärt hat, massiv weitere Anleihen von Euro-Krisenländern zu kaufen. "Die EZB geht einen gefährlichen Weg. Sie darf sich nicht vom Währungshüter zur Inflationsbank entwickeln", sagte Söder. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt warf dem Italiener Draghi vor, die Europäische Zentralbank (EZB) für italienische Interessen zu missbrauchen. "Es ist auffällig, dass Draghi immer dann aktiv wird und über die EZB Staatsanleihen kaufen will, wenn es in Italien mal wieder eng wird", sagte Dobrindt.

Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder (CDU), verteidigt den Widerspruch von Bundesbankpräsident Jens Weidman gegen weitere Ankäufe von Staatsanleihen durch die EZB. Dass Weidmann bei der Sitzung des EZB-Rates in der vergangenen Woche als Einziger gegen den Kurs von EZB-Präsident Mario Draghi gestimmt habe, sei richtig gewesen, sagte Kauder im Deutschlandfunk. Die Frage, ob man sich dadurch in Europa isoliere, nütze nichts. Die einzige Frage sei, ob das, was gemacht werde, richtig sei oder nicht.