Erstmals verteidigte sich die 63-Jährige selbst. Suu Kyi sagte, sie habe gegen den unerbetenen Besucher nichts machen können. Sollte sie schon freigelassen werden?

Rangun/Hamburg. Es mutet an wie ein Prozess für einen Diktator. Dabei wird in der Diktatur Birma (Myanmar) nur gegen eine zerbrechliche Frau verhandelt. Doch sie ist die Oppositionsführerin, die Friedensnobelpreisträgerin, die jahrelang in ihrem Haus eingesperrt wurde. Die angeklagte Aung San Suu Kyi (63) hat erstmals selbst Stellung bezogen zu den Vorwürfen gegen sie. Selbstbewusst und deutlich wies der Friedensengel in Anwesenheit von etwa 40 Diplomaten aus aller Welt die Anklage zurück, sie habe die Auflagen ihres Hausarrests verletzt. Am Ende des Verhandlungstages im Insein-Gefängnis von Rangun bedankte sie sich bei den Ausländern. „Ich freue mich über die Unterstützung aus aller Welt“, sagte sie, ehe sie abgeführt wurde. Außer den Diplomaten waren diesmal auch einheimische Reporter zugelassen. Der Prozess findet ansonsten weitgehend hinter verschlossenen Türen statt.

Suu Kyi ist wegen des heimlichenBesuchs des Amerikaners John Yettaw in ihrem Haus angeklagt. Ihre Hausangestellte habe sie am 4. Mai morgens auf den ungebetenen Gast aufmerksam gemacht, sagte Suu Kyi. Sie habe ihn aufgefordert zu gehen. Weil der Besucher Schwäche zeigte, habe sie ihm „vorübergehend“ Unterschlupf gewährt. „Ich habe mich zu ihm gesetzt und mit ihm geredet“, sagte sie. Er habe ihr Haus am 5. Mai um kurz vor Mitternacht wieder verlassen. Suu Kyi sei etwas ernster gewesen als vergangenen Mittwoch, als erstmals Diplomaten zugelassen waren, sagte der britische Botschafter Mark Canning der BBC. Das Gericht habe erneut einen Antrag der Verteidiger auf ein vertrauliches Gespräch mit ihrer Mandantin zurückgewiesen. Die Anwälte sehen Suu Kyi nur im Gerichtssaal.

Yettaw war angeblich unbemerkt durch den Inya-See zu Suu Kyis Haus geschwommen. Er sagte bei Vernehmungen, er habe um das Leben von Suu Kyi gefürchtet und wollte sie warnen. Suu Kyis Anwälte argumentieren, dass die Sicherheitskräfte versagt haben, weil sie ihn nicht entdeckt haben. Kritiker argwöhnen, dass die Behörden heimlich den Besuch zuließen, um einen Grund zur Anklage zu haben. Suu Kyi, die 13 der vergangenen 19 Jahre unter Hausarrest stand, wäre sonst vor den versprochenen Wahlen im kommenden Jahr freigekommen. Jetzt drohen ihr fünf Jahre Haft.

Ein Juntavertreter wies die Auffassung von Juristen in aller Welt zurück, dass Suu Kyis Hausarrest spätestens diese Woche abgelaufen wäre. Nach Lesart der Behörden hätte sie bis 27. November festgehalten werden können. Ein Brigadegeneral sagte den Diplomaten, die Junta habe vor dem Zwischenfall mit Yettaw dennoch erwogen, sie diese Woche aus humanitären Gründen freizulassen.

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Günter Gloser, sieht eine Annäherung der Europäer und Asiaten in ihrer Verurteilung des Regimes in Birma. Er lobte die jüngste Kritik der Südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean an dem Prozess.