Tausende Demonstranten stoppen erneut ein großes Industrieprojekt

Peking. Tausende chinesische Bürger und Umweltschützer haben mit ihren Protesten erneut ein umstrittenes Milliarden Dollar teures Industrieprojekt gestoppt. Die Behörden in der Küstenstadt Qidong unweit von Shanghai in der östlichen Provinz Jiangsu verwarfen am Wochenende den Plan, Abwässer aus einer Papierfabrik ins Meer zu leiten.

Bei den Protesten am Sonnabend kam es zu Zusammenstößen zwischen Beamten und Demonstranten, ein Polizeiauto wurde dabei umgestürzt. Mehrere Teilnehmer waren in das Hauptquartier der Stadtregierung eingedrungen. Sie zerstörten Computer, schmissen Schreibtische um und warfen angefeuert von der Menge Dokumente aus den Fenstern. Auch fünf Autos und ein Minibus wurden umgestürzt. Mindestens zwei Polizisten wurden von wütenden Demonstranten verprügelt.

Wie die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, löste sich die Massendemonstration erst auf, nachdem die Regierung Qidongs auf ihrer Website mitgeteilt hatte, dass das Abwasserprojekt gestoppt worden sei. Hunderte Bereitschaftspolizisten wurden abgestellt, um Regierungsgebäude in Qidong zu schützen.

Über die Zukunft des Papierwerks des japanischen Unternehmens Oji Paper wurde zunächst nichts bekannt. Die Einwohner der nahe Shanghai gelegenen Stadt befürchteten, das Projekt werde die Fischgründe in dem Gebiet zerstören. Mit der Leitung hätten täglich bis zu 150 000 Tonnen Abwässer ins Meer gelangen können, berichtete die Zeitung "Global Times".

Das japanische Unternehmen Oji hatte am Freitag mitgeteilt, nur entsprechend örtlicher Umweltschutznormen geklärtes Wasser würde ins Meer geleitet. "Umweltschutz hat für unser Unternehmen eine hohe Priorität", hieß es in einer Erklärung. Seit 2009 bekämpfen Bürger dieses Großprojekt, weil sie eine Verseuchung der nahe gelegenen Fischzuchtanlagen fürchten, eine der größten Meerwasserfischbecken des Landes. Der Protest kam sogar aus Shanghai - die Bürger hier befürchteten gesundheitsgefährdendes Trinkwasser.

Drei Jahrzehnte rasanter Wirtschaftsaufschwung sind in China auf Kosten der Umwelt gegangen. Doch mittlerweile gehen chinesische Bürger immer häufiger auf die Straße, um gegen umweltbedrohende Industrieprojekte der Regierung zu protestieren. Erst Anfang des Monats zwangen bis zu 100 000 Demonstranten in der Stadt Shifang im Südwesten Chinas die Behörden zum Rückzug. Sie stoppten die Ansiedlung eines 1,3 Milliarden Euro teuren Kupferwerks.

Die Kapitulation der Provinzbehörden vor den Protesten dürfte Peking kaum behagen. Denn die chinesische Zentralregierung winkt als Antwort auf die Wachstumsflaute derzeit jede Menge neuer Großprojekte durch. Die Erfolge der Demonstranten könnten weitere Umweltinitiativen zu Protesten ermutigen.